Glanz
wie ein Regenwurm. An dem einen Ende hatte der Wurm ein rundes Maul, das mit Widerhaken versehen war. Unter der blassen Haut konnte ich rundliche Gefäße sehen, die mit Blut gefüllt zu sein schienen.
Der Wurm wehrte sich energisch gegen meine Umklammerung und hielt sich mit seinen Widerhaken an dem zotteligen Pelz fest, doch es gelang mir, ihn herauszuzerren. Nun versuchte der Wurm, seine Haken in meine Arme zu schlagen, doch ich warf ihn zu Boden, zog mein Schwert und hieb ihn in der Mitte entzwei.
Der Riese grunzte zufrieden, ergriff die beiden zappelnden Teile des Wurmes und steckte sie sich in den Mund. Dann legte er sich wieder flach auf den Boden.
Nun wusste ich, was er als Dank für meine Rettung von mir erwartete. Ich machte mich sogleich an die Arbeit.
Einige Stunden später hatte ich Dutzende von Würmern aus dem zotteligen Fell entfernt, einige davon so lang wie ein Mann, andere nur fingergroß. Einer der kleineren Würmer hatte sich an meinem Bein festgesaugt und mir eine kleine, aber schmerzhafte Wunde zugefügt, bevor ich ihn mit dem Schwert entfernen konnte.
Der Riesenaffe setzte sich auf und stieß ein langgezogenes »Bwaaaaaah!« aus, das tief aus seinem Bauch zu kommen schien. Dann holte er eine große Menge der roten Beeren hervor und legte sie vor mich hin. Außerdem schenkte er mir den Pelz, auf dem ich gelegen hatte.
»Ich danke dir und den Göttern für deine Hilfe!«, sagte ich. »Doch jetzt muss ich aufbrechen.«
Diesmal machte mein neuer Freund keine Anstalten, mich aufzuhalten.
Ich brauchte viele Tage, bis ich das Gebirge durchquert hatte und auf die graue Ebene herabblickte, in der die Stadt des Lächelns liegt. Ein freundlicher Mann empfing mich am Stadttor und schenkte mir eine Maske, damit ich mich den Gebräuchen der Stadt anpassen und meine Trauer und Sorge um dich verbergen konnte. So ging ich zum Palast der Glücklichen Königin. Als ich die Statue in der Mitte des Platzes sah, die man dir zu Ehren errichtet hatte, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Doch man ließ mich nicht in den Palast. Die Glückliche Königin müsse noch am selben Tag der Parade der Tapferen beiwohnen, sagte man mir, und sich darauf vorbereiten.
Ich beschloss zu warten und setzte mich auf die Stufen des Palastes. Bald füllte sich der Platz mit Menschen – Frauen und Kinder die meisten, ein paar Soldaten und einige Jünglinge. Dann kam die Königin. Sie war von Kopf bis Fuß in ein weißes Gewand gehüllt; dennoch war ich mir in dem Moment, als ich sie sah, sicher, dass du es warst. Ich wollte zu ihr, doch sie wurde von Soldaten abgeschirmt, die mich nicht vorließen. Man führte sie zu einem Thron genau mir gegenüber. Ich spürte ihren Blick durch die Schleier, und eine solche Liebe ergriff mich, dass ich mein Schwert zog, um mir den Weg zu ihr – zu dir, wie ich glaubte – freizukämpfen.
Doch in diesem Moment hörte ich etwas. Eine leise Flötenmelodie, die aus weiter Ferne erklang und trotzdem über das Stimmengewirr auf dem Platz hinweg deutlich zu vernehmen war. Ich vergaß plötzlich, warum ich hergekommen war, und wandte mich nach der seltsamen Melodie um.
Es wurde still auf dem Platz. Die Menge teilte sich und bildete eine breite Gasse.
Die Musik kam näher, und dann sah ich die Parade. Voran ritten vier wunderschöne Jungfrauen auf weißen Rossen. Eine von ihnen spielte die Flöte, die zweite eine Harfe, die dritte schlug die Trommel dazu, und die vierte sang. Ich verstand ihre Worte nicht, doch ihre Stimme war so schön und so traurig, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Ich wusste, dass sie von Mut und Tapferkeit sang, von Opfern und Hingabe, von Not und Leid und Tugend, und mein Herz war so ergriffen, dass ich mir nichts mehr wünschte, als für immer dieser Musik lauschen zu können.
Den Jungfrauen folgten die Helden vergangener Zeiten. Bleich sahen sie aus, wie wandelnde Statuen aus Marmor, doch ihre Rüstungen glänzten golden, und ihre Augen waren voller Stolz. Hektor und Achilles, Sisyphos und Odysseus, all die Könige und Krieger, von denen uns die Legenden berichten, waren dort. Sie marschierten in einer langen Reihe an uns vorbei, und obwohl keiner ein Wort sprach, wusste ich, was sie uns sagten: Kommt mit! Folgt uns und kämpft mit uns, so werdet ihr im Ruhm unsterblich werden!
Als das Ende des Zuges über den Platz marschierte, lösten sich Menschen aus der Menge und schlossen sich ihm an, Jünglinge die meisten, aber auch Ältere und sogar ein paar
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