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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Kniescheibe des Riesen. Der Zyklop brüllte vor |233| Schmerz und fuhr herum. Er versuchte, Eric mit dem Speer aufzuspießen, verfehlte ihn jedoch knapp.
    Ich nutzte die Gelegenheit. Mir war eingefallen, dass der eine oder andere Begriff aus der griechischen Sagenwelt in unsere Alltagssprache Eingang gefunden hatte. »Achillesferse« zum Beispiel.
    Also hieb ich mit aller Kraft nach der Ferse des Riesen. Doch so einfach wie in der Sage war es offenbar nicht, eine Sehne zu durchtrennen. Das Schwert ritzte kaum die Haut, und nur ein dünner, blutiger Riss war zu sehen. Der Zyklop ignorierte meine Bemühungen und hob den Speer erneut, um den jetzt wehrlosen Eric zu erledigen.
    Ich besann mich und rammte die Klinge in die weiche Kniekehle. Ein dicker Blutschwall schoss aus der Wunde, doch das Schwert blieb stecken und wurde mir aus der Hand gerissen. Immerhin hatte ich erreicht, dass das Monster von Eric abließ und sich wieder mir zuwandte.
    Ein hässliches Grinsen erschien auf dem einäugigen Gesicht. Eine Hand schoss herab und packte mich, bevor ich auch nur zusammenzucken konnte. Er hob mich empor wie ein Spielzeug und hielt mich dicht vor sein Auge. Es war blutunterlaufen und vor Wut weit aufgerissen. Sein gewaltiger Mund öffnete sich, und der Gestank von Verwesung umwehte mich. Er hielt mich wie einen Hotdog, um mir den Kopf abzubeißen. Doch bevor seine gewaltigen Kiefer meinen Schädel zermalmten, brüllte er plötzlich so laut, dass ich befürchtete, meine Trommelfelle könnten platzen. Er ließ mich los. Ich stürzte in die Tiefe und schlug hart auf dem Steinboden auf.
    Benommen rappelte ich mich hoch. Ich sah Eric, der am Lendenschurz des Riesen emporgeklettert war und das Schwert, das er aus dem Bein gezogen haben musste, in seine Seite gerammt hatte.
    |234| Blut strömte aus Bein und Flanke des Riesen, doch er war noch lange nicht erledigt. Er ließ den Speer los und packte Eric mit beiden Händen. Vor Schmerz und Wut brüllend hob er ihn hoch und machte Anstalten, ihn in der Luft zu zerreißen.
    Dieses Monstrum war im Begriff, meinen Sohn umzubringen! Mich erfüllte ein Zorn, den ich in dieser Intensität noch nie gespürt hatte. »Schluss jetzt«, schrie ich und schleuderte
etwas
nach dem Gesicht des Unholds.
    Es gab ein gewaltiges Blitzen, und für einen Moment war ich geblendet. Als ich wieder sehen konnte, stand der Kopf des Zyklopen in Flammen. Mit beiden Händen schlug er sich selbst ins Gesicht, um das Feuer zu löschen, doch vergeblich. Schließlich brach er zusammen und schlug der Länge nach hin.
    Wow.
    Eric, der neben dem gewaltigen Körper auf dem Boden lag, rappelte sich auf und grinste mich an. »Willst du immer noch behaupten, du seist keine Göttin? Da du Blitze schleudern kannst, musst du eine Tochter des Zeus sein!«
    Ich blickte verblüfft auf den Riesen, der sich in Todesqualen wand, und dann auf meine Hand. War das wirklich ich gewesen? Ich hatte diese Wut gespürt, und tatsächlich war da plötzlich
etwas
in meiner Hand gewesen. Es hatte sich wie eine kochend heiße Flüssigkeit angefühlt, wie die physische Manifestation des Zorns, den ich verspürte.
    Ich machte eine werfende Bewegung, doch das Kunststück gelang kein zweites Mal. Offenbar musste ich diesen schrecklichen Zorn tatsächlich spüren, um Blitze schleudern zu können.
    Mit einem neuen Gefühl der Stärke und Zuversicht öffnete ich einen Flügel des gewaltigen Tores, das der Zyklop bewacht hatte.
    |235| Dahinter öffnete sich ein gigantischer Raum, dessen Decke von turmhohen Säulen getragen wurde. An den Wänden standen überlebensgroße Steinstatuen aus demselben schwarzglänzenden Stein, aus dem der ganze Palast bestand. Sie zeigten Männer und Frauen in wallenden Gewändern, die Blicke demütig gesenkt. Einer der Männer trug einen Lorbeerkranz auf dem Kopf und hielt zwei stilisierte Blitze in seiner Hand, doch auch er hatte eine unterwürfige Miene. Ich begriff, dass die Statuen die Götter darstellten, die sich dem Willen des Herrn der Unterwelt beugten.
    Am Ende des länglichen Raumes befand sich ein großes Feuerbecken. Zumindest sah es aus der Entfernung so aus. Als wir den Mittelgang entlangschritten, erkannte ich jedoch, dass es sich um ein Podest handelte, auf dem ein Thron stand. Darauf saß ein Mann im weißen Kittel. Sein Gesicht, seine Haare und Hände brannten lichterloh. Zu seinen Füßen lag ein Hund mit drei Köpfen, groß wie ein Pferd.
    »Gut, dass Sie gekommen sind, Anna«, sagte der Herr der

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