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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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und Schraubenziehern herum, fluche laut vor mich hin und umklammere meinen linken Fuß, als mir aufgrund einer Veränderung des Lichts auffällt, dass die Garagentür offen steht. »Was, zum Teufel …«
    »Reeve?«
    »Verdammter Mist!«, brülle ich. »Scheiße. Hab meinen Hammer fallen lassen und …«
    »Reeve? Was ist los?«
    Ich zwinge mich dazu, mich abzuregen. »Ich hab meinen Hammer fallen lassen. Er ist auf diesem Haufen von Stahlstangen gelandet und auf meinem Zeh aufgeprallt.« Ich hüpfe weiter herum. Allmählich klingt der Schmerz ab. »Dieses Miststück von Hammer sollte man bestrafen.«
    »Den Hammer ?« Er überlegt kurz. »Hast du getrunken?«
    »Noch nicht.« Ich lehne mich gegen die Wand und setze meinen Fuß versuchsweise auf dem Boden auf. »Autsch! Ich hab mich gerade dazu entschlossen, wieder einmal - wer sagt’s denn - ein neues Leben anzufangen. Schließlich braucht ein Mädchen ein Hobby und so weiter und so fort.« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
    Er sieht mich skeptisch an. »War’s schlimm in der Arbeit?«
    »In der Arbeit ist es immer schlimm, schon deswegen, weil diese Arbeitsstelle überhaupt existiert.«
    Er runzelt die Stirn. »Was hat es mit diesem Hobby auf sich?«
    »Es ist äußerst anspruchsvolle Metallbearbeitung oder so was Ähnliches. Hast du irgendwo meinen Ratgeber für Schwertschmiede gesehen? Als ich nicht ganz ich selbst war, wollte ich ihn wegschmeißen, aber ich bin irgendwie nie dazu gekommen.«
    Man kann fast sehen, wie ihm ein Licht aufgeht. »Reeve? Bist du das?«
    »Außerdem hatte ich wirklich einen Scheißtag in der Bücherei. Hab aus Langeweile Gedichte gelesen, weißt du. Hör mal:
    Gestern Abend irgendwann
traf ich einen fetten Mann
auf der Treppe und blieb stehn,
aber konnte ihn nicht sehn.
Dieser Mann war gar nicht dort,
er verschwand und war gleich fort.
War auch heut nicht aufzutreiben,
doch im Kopf wird er mir bleiben.
    Von Ogden Nashville. Offenbar haben unsere Vorfahren ihn geschätzt, aus welchen Gründen auch immer. - Komm, wir fangen uns irgendwas zum Abendessen.«
    Als Sam vor mir ins Haus geht, bewegt er lautlos die Lippen: Offenbar wälzt er mein Gedicht im Kopf herum. Ich habe bei der Arbeit tatsächlich Gedichte gelesen. Ich hoffe nur, dass die wahre Bedeutung meines spontan gereimten Knittelverses zu ihm durchdringt. (An Poesie scheitern Überwachungssysteme, die auf das Abhören von Gesprächen programmiert sind. Bei der Syntaxanalyse von Metaphern und Beschreibungen emotionaler Zustände versagen die Künstlichen Intelligenzen nämlich.)
    Schließlich landen wir in der Küche. »Hattest du daran gedacht, wieder zu kochen?«, erkundigt Sam sich vorsichtig. In Anbetracht der Mahlzeiten, die ich in den letzten Tagen zubereitet habe, vermute ich, dass er nicht allzu begeistert davon war, meine Experimente in Kochkunst auslöffeln zu müssen.
    »Am besten, wir bestellen einfach eine Pizza, oder? Und eine Flasche Wein.«
    »Wieso?« Er starrt mich an.
    »Musst du jeden Vorschlag zur Gestaltung des Abends auf der Stelle in eine Therapiesitzung verwandeln?«
    Er zuckt die Achseln. »Ich frag ja nur.« Als er sich umdrehen will, halte ich ihn an der Schulter fest. »Tu das nicht.«
    Verblüfft macht er eine scharfe Kehrtwende. »Wie bitte?«
    »Gestern Abend irgendwann / traf ich einen fetten Mann / auf der Treppe und blieb stehn, / aber konnte ihn nicht sehn. / Dieser Mann war gar nicht dort, / er verschwand und war gleich fort. / War auch heut nicht aufzutreiben, / doch im Kopf wird er mir bleiben«, wiederhole ich . »In letzter Zeit bin ich gar nicht mehr ich selbst gewesen, Sam. Aber heute fühl ich mich viel besser .«
    Mit gerunzelter Stirn sehe ich ihn an und hoffe dabei, dass er meine Worte entschlüsseln kann.
    »Oh, meinst du damit …«
    »Sch!« Warnend strecke ich einen Finger hoch. »Die Wände haben Ohren.«
    Sam macht große Augen und beginnt sich von mir zu lösen. Ich fasse ihn fest an der Schulter, trete nahe an ihn heran und schlinge meine Arme um ihn. Er versucht sich zurückzuziehen, aber ich lehne meinen Kopf an seine Schulter. »Wir müssen reden«, flüstere ich.
    »Über was?«, erwidert er, ebenfalls flüsternd. Aber zumindest weicht er jetzt nicht weiter zurück.
    »Über das, was hier vor sich geht.« Als ich sein Ohrläppchen lecke, fährt er so zusammen, als hätte ich ihm ein geladenes Stromkabel ins Ohr gesteckt.
    »Tu das nicht !«, zischt er.
    »Warum denn nicht?«, frage ich belustigt. »Hast du Angst, es

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