Glashaus
die sind wir doch bloß Kanaken.“
Ihr bitteres Lachen.
Was, wenn sie Recht hatte? Was, wenn diese Sache wirklich nur von ihm selbst erledigt werden konnte, um RICHTIG erledigt zu werden?
In Younas machte sich Leere breit. Leere, die schließlich Wut auf alles und jeden Platz machte.
Er fühlte sich als hätte er den Boden unter den Füßen verloren. Als hätte ihn gleichzeitig mit der Wut auch die unerschütterliche Zuversicht verlassen, die ihn bisher mit beiden Beinen immer so fest und sicher am Boden gehalten hatte.
Das Schlimmste daran war die Hilflosigkeit. Die Gewissheit, dass er zum zweiten Mal versagt hatte, als seine Tochter ihn am dringendsten gebraucht hätte.
Vor seinem Haus glänzte ein nagelneuer Benz zwischen all den Fiats, Opels und Toyotas. Unnötig erst nach der Nummer zu sehen. Azizas Onkel Halif war gekommen. Etwas, das Younas jetzt ungefähr so dringend brauchte, wie einen Schuss ins Knie.
Am Ende der Straße lag das kleine Cafe, in dem Tag für Tag dieselben alten Männer, dieselben alten Geschichten von einer Heimat wälzten, die so trocken, dürr und voll unbefriedigter Sehnsucht war, wie unter Mittagshitze gesprungene Feldsteine.
Younas stieß die Hände in die Manteltaschen, warf einen letzten Blick auf Halifs Benz, ging dann die Straße hinab und betrat das Cafe.
Träge Blicke aus schmalen dunklen Augen. Die Hände des Barkeepers verschwanden hinter der Resopaltheke. Ein knapper Blick zu einem massigen Mann, an einem Tisch neben dem Klo.
Der massige Mann, der dem Barkeeper nach einem Blick auf Younas zunickte. Woraufhin dessen Hände wieder auf der Resopalplatte der Theke auftauchten.
Younas nickte seinerseits dem massigen Mann zu. Bestellte einen Raki, kippte ihn hinunter, ohne dabei mehr als ein warmes Kratzen zu verspüren.
Er war nicht sicher, wie oft er in all den Jahren schon hier gewesen war. Bestimmt nicht mehr als drei oder vier Mal, und doch fragte er sich, ob die Männer an den Tischen es schon wussten. Ob sie bereits über ihn, seine Tochter und die Jungen in dem Wagen redeten. Ob sie ihn bereits heimlich zu verachten begonnen hatten.
Sie MUSSTEN es ihm doch ansehen. Versagern sah man immer an, dass sie Nullen waren.
Der zweite Raki, der so viel bitterer schmeckte als der erste.
Als er ging, das Gefühl den Mund voller Salz zu haben.
16 Uhr 20. Saschas Augen waren grau mit einem leisen Stich ins gelbliche. Sechs Tage die Woche stand sie hinter der Bar eines schäbigen Danceclubs.
Gemessen an den Mädchen, die er vorher gehabt hatte, mochte Sascha vielleicht mit ihren knapp Eins Achtundsechzig und den kurzen dunkelblonden Haaren noch nicht mal unbedingt die Hübscheste sein. Aber sie war intelligent und gut im Bett und was alles darüber hinaus betraf, ziemlich anspruchslos. Dem alten Spruch „Dumm fickt gut“, hatte Boyle jedenfalls noch nie über den Weg getraut.
Zwei Stufen mit einmal nehmend, stürmte er gut gelaunt die Treppen zu Saschas Wohnung im Vierten Stock hinauf.
Als sie die Tür öffnete trug sie eine schwarze, weich fallende Lederhose zu einem dünnen roten Rolli und bat ihn stumm herein.
Boyle versetzte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, trat in den Flur und warf seine Wagenschlüssel auf den Tisch im Wohnzimmer.
„ Was trinken?“
Boyle nickte.
Zwei Mal tigerte sie zwischen Wohnzimmer und Küchenecke hin und her, um Martinis zu machen, die sie ebenso gut auch im Wohnzimmer hätte machen können.
Boyle steckte sich eine Zigarette an. Sascha reichte ihm eines der Gläser.
Boyle, der seine Zigarette im Ascher ablegte, vom Martini nippte, legte Sascha dann seine Hand auf den Hintern.
Ihr Duft in seiner Nase. Ihre Hand in seinem Nacken. Boyle schloss für einen Moment die Augen.
„ Ich bin schwanger.“
Boyle schlug die Augen wieder auf.
„ Von Dir…“
Boyle griff nach der Kippe. Nahm einen tiefen Zug. Entließ Rauch aus Nase und Mund. Legte die Kippe zurück.
„ Kommen da – vorsichtig formuliert - nicht noch `n paar andere in Frage?“
Sascha schien von Boyles Frage weder erstaunt noch verletzt.
„ Du bist seit zwei Jahren der einzige, mit dem ich es ohne gemacht habe, und seit sechs Monaten sowieso der einzige.“
Boyles Kopf fiel kraftlos zwischen Sascha Brüste. Er versank in ihrem Geruch nach Shampoo und Parfum.
Ihre Hände in seinen Haaren.
„ Ich will es haben. Ganz egal, was Du dazu sagst.“
Boyle hatte nie an Liebe geglaubt und eigentlich hätte er heftig Schiss vor dem haben sollen, was da in
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