Glashaus
Boyle, wo steckst Du? Wieso meldest Du Dich in der Zentrale nicht ab, wenn Du Deine Stellung wechselst?“
„ Ich bin im Siebten. Ich hab einen Zeugen der zwei Unbekannte in Halifs Haus gesehen hat. Sie hatten Sturmgewehre und Schutzwesten dabei.“
Beckers Stimme war belegt, als er nach einem Augenblick des Schweigens auf Tommy Graf zu sprechen kam.
„ Dann hast Du das von Tommy wohl schon gehört.“
„ Ja. Wisst ihr schon was Genaueres? Ich meine, hat er es selbst getan oder was?“
Beckers unregelmäßige Atemzüge, die für beinah eine Minute alles waren, was noch durch den Hörer an Boyles Ohr drang.
„ Selbstverschulden ist eindeutig auszuschließen. Stiller ist suspendiert. Der Innensenator hat mich kommissarisch mit der Leitung des Ladens beauftragt. Du bist raus aus dem Kanakenkillerfall und übernimmst ab sofort die Ermittlungen im Fall Tommy Graf.“
Boyles Hirn sortierte die Ereignisse der Nacht: Drei Mittelklassejungs, der Unbekannte in Halifs Kühlraum und Tommy Graf, die innerhalb von wenigen Stunden getötet worden waren. Dann die beiden Männer von denen Hilmi Abbas behauptete, dass er sie vor Halifs Haus gesehen hatte. Außerdem dieser Kanake, der sich Margaret Stiller zufolge für die Vergewaltigung seiner Tochter rächte, dann Stillers missratener Casinodeal und schließlich Tommy Grafs untypisches Verschwinden vom Dienst, kurz bevor er tot am Friedhof aufgefunden wurde. Unmöglich, dass es keine Verbindung zwischen all dem geben sollte.
„ Was ist mit Halif Kahn - hat den inzwischen irgendwer aufgetrieben?“
„ Ist wie vom Erdboden verschluckt. Alles, was wir bisher haben, sind zwei seiner Kapos, die im Fünften herumhängen und gelangweilt tun.“
Einen Augenblick wieder Schweigen.
„ Becker - was hast Du ihnen dafür gegeben, dass sie für Dich Stiller fallen lassen?“
Beckers Schweigen am anderen Ende der Verbindung war um einiges zu beredt, um für Boyle noch als Beleidigung durchgehen zu können.
„ Gut. Ich übernehme Tommy Graf. Aber ich will mit dem Kanaken reden, sobald ihr ihn habt. Und zwar allein und BEVOR Haffner ihn zwischen die Finger kriegt. Außerdem brauch ich Tommys Akte aus der Personalabteilung. Und ich muss mit Stiller reden. Auch allein.“
Becker atmete hörbar tief ein und wieder aus.
„ Du bist nicht in der Position Bedingungen zu stellen. Du solltest froh sein, dass ich Dich nicht genauso suspendieren lasse, wie Stiller.“
Boyles Finger verkrampften sich um den Hörer.
„ Wenn es das ist, was Du willst - Du kannst meinen Ausweis sofort haben. Könnte bloß sein, dass Dir dann was entgeht.“
Wieder zehn, zwanzig Sekunden Stille.
„ Was?“
„ Der Name des Kanakenkillers.“
„ Du kriegst Dein Date mit Stiller. Aber Tommys Personalakte bleibt weiterhin Verschlusssache.“
Wieso, fragte sich Boyle, hielt Becker seine Hand so vehement über Tommys Personalakte? Nichts war natürlicher als bei den Ermittlungen zum unnatürlichen Tod eines Beamten mit dessen Personalakte anzufangen.
Irgendetwas stank da.
„ Wie heißt der Kanakenkiller?“
Boyle dachte nach. Gelangte jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis und entschloss sich zumindest den Namen des Kanakenkillers, den er von Margaret Stiller erfahren hatte, herauszurücken.
„ Er heißt Aris. Das ist sein Nachname. Mehr weiß ich nicht.“
Wieder Stille. Kürzer diesmal.
„ Woher hast Du das?“
„ Vergiss es, Becker. Aber ich wette, dass der Name stimmt. Lass ihn durch den Computer laufen. Ich bin sicher der Typ hat bisher nicht mal `n Strafzettel kassiert.“
Boyle hörte wie Becker irgendwelche Anweisungen durch sein Büro bellte.
„ Wir sehen uns am Tatort. Ich will einen Bericht über den Kanakenkiller und über Deinen Zeugen. Du bist ab sofort zweiter Leiter Mord und nur mir persönlich unterstellt. Ich geb die Anweisung gleich über Funk heraus.“
Für Boyle kein sonderliches Problem sich Haffners Gesicht auszumalen, sobald er davon erfuhr.
„ Okay, Becker, ich spiele mit“, hörte Boyle sich selbst flüstern. „Aber ich will außerdem alle Ergebnissen zu dem Toten in Halifs Kühlhaus.“
Becker zögerte diesmal um eine Winzigkeit länger.
„ Du kriegst sie. Aber Zeit versetzt zu Haffner, der den Fall ab jetzt zusätzlich zu dem Kanakenkiller bearbeitet.“
Boyle legte den Hörer auf und sah sich in der Wachstube um. Die verstörten Blicke der drei Beamten und Meyer, der hinter Teddy Amin in die Wachstube getreten war.
„ Ich bin ab sofort zweiter
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