Glashaus

Tür des Wagens zustieß.
    Die Männer und Frauen der Spurensicherung hatten mittlerweile Scheinwerfer aufgestellt, die Halifs gesamten Hof taghell ausleuchteten.
    Zwei Fotografen schossen Bilder der Blutspuren. Uniformierte, die neben ihren Streifenwagen stehend, auf Anweisungen warteten und hinter dem weit geöffneten Metalltor Männer in Pantoffeln und Bademänteln und Muslima in dunklen Kleidern und Kopftüchern.
    „ Danke.“
    Teddy fingerte den Wagenschlüssel aus der Jeans. Boyle suchte vergeblich nach Stiller. Vielleicht war er im Haus oder in einem der beiden Vans der Spurensicherung.
    „ Ist es vorbei?“
    Teddys Frage war nicht mehr als ein Flüstern. Boyle zögerte die Antwort ungewöhnlich lange hinaus.
    „ Vielleicht. Ich weiß es nicht.“
    „ Wieso - was ist passiert?“
    „ Ich habe gerade mit Stillers Frau gesprochen. Ich weiß wer Stillers Jungen erschossen hat. Und weshalb. Scheint als hätten wir tatsächlich `ne winzige Chance uns Stiller vom Leib zu halten, aber besser wir verschwinden erst mal von hier.“
    Sie näherten sich dem Tor, drängten sich an zwei Beamten der Spurensicherung vorbei und krochen unter dem Absperrband hindurch.
    Ein alter Mann mit grauem Schnurbart und einem dunklen Mantel über dem hellen Schlafanzug stellte sich ihnen auf dem Weg durch die Traube der Schaulustigen zögernd entgegen.
    „ Du Polizist?“
    Seine Hand verirrte sich auf Teddy Amins Arm.
    „ Ich … habe … gesehen … Du verstehst? Gesehen … wie Mörder gekommen. Du wissen … was ich … gesehen? Aufschreiben, ja?“
    Boyles Kopf zuckte zu dem Alten herum.
    „ Wie hat er ausgesehen?“
    Verwirrung im Gesicht des Alten.
    „ Wie hat er ausgesehen? War es einer wie ihr – ein Türke? Ein Kurde?“
    Pikiert schüttelte der Alte den Kopf.
    „ Waren zwei. Keine Türken … waren groß … Haare hell … nicht wie ich. Sahen aus wie ihr – wie Polizei. Hatten Westen wie in Fernsehen. Verstehen?“
    Boyle sah zu wie in Teddys Augen für einen Moment alles Licht verlöschte.
    Nur ein Gedanke, der in seinem Kopf noch Platz zu haben schien: Alles, bloß keine Bullen, die den Mann in Halifs Kühlhaus auf DIESE ART getötet hatten.

    3 Uhr 22. Die Musterhaussiedlung lag abseits der Straße zwischen einem abgeernteten Feld und einem Waldstück. Zwanzig oder dreißig Einfamilienhäuser verschiedener Bauart, jedes von ihnen mit einem Stück Vorgarten und einem mal schmaleren, mal breiteren Rasen dahinter. Vereinzelt ragten alte Bäume hinter den hastig hochgezogenen Zäunen auf. Zeugten davon, dass sich bis vor kurzem das Waldstück, an dem er vorübergegangen war, bis hierher erstreckt haben musste.
    Younas kam sich vor, wie der Entdecker eines unbekannten, Landes.
    In einer der Einfahrten entdeckte er einen silbernen Ford Mondeo. Nicht das, wonach er eigentlich gesucht hatte - einen knallroten BMW Geländewagen – doch immerhin war es das einzige Haus der Siedlung, aus dem ein sanfter Lichtschein fiel. Das Haus hatte eine Garage. Und sie war locker geräumig genug für einen Geländewagen.
    Younas drängte sich in den Schatten, den das gegenüberliegende Haus über den gepflasterten Weg hinweg, bis weit in den Vorgarten des Hauses hineinwarf. Dann verbrachte er Minuten damit, sich vorzustellen, wo wohl Schlafzimmer, Küche, Wohnzimmer und Kinderzimmer liegen mochten.
    Kein Zweifel, dass der helle Schimmer, der zwischen dem Gardinenschlitz aus einem der oberen Fenster fiel, ein Schlafzimmer bezeichnete.
    Nur weshalb dann jenes zweite, härtere Licht hinter der Jalousie im unteren Geschoss?
    Die Küche?
    Sex machte hungrig. Waren sie gerade dabei sich DANACH etwas zu essen zu machen?
    Unerträglich der Gedanke, dass dieses Tier nur ein paar Stunden nachdem es Sertabs Leben ruiniert hatte, unbekümmert mit seiner Freundin schlief, lachte – ZUKUNFTSPLÄNE machte, sich ein Stück Brot oder eine Fertigsuppe herein zog.
    Er hatte das Ersatzmagazin der Pistole im Wagen liegen lassen. Aber immerhin war die Kammer der Pumpgun mit acht Schuss gefüllt. Mehr als genug für das, was er sich vorgenommen hatte. Möglich, dass er einen Warnschuss abzugeben hatte. Doch im Grunde rechnete er nicht damit.
    Sie hatten nicht mal abgeschlossen, wie Younas feststelle, als er sich im Schatten der Hauswand bis zur Tür geschlichen hatte.
    LEISE.
    Die Türklinke.
    Offen.
    Der Flur: dunkel.
    Vier Schritte, bis zu der Tür unter der ein schmaler Lichtstreifen hindurch schien.
    Er machte es, wie die Polizisten in den