Glashaus
wohnhaft in Frankfurt/Main.
Boyle ließ die Liste fallen und starrte durch die beschlagene Frontscheibe auf den Schemen der beleuchteten Telefonzelle.
„ Ich brauch Kleingeld. Alles was Du hast.“
Teddy grunzte, griff aber in die Tasche seiner Jeans und brachte eine Handvoll Münzen hervor.
„ Gibt es irgendwas an dem man Ryschkow identifizieren könnte?“
Teddy dachte nach.
„ Er hat Narben am Hintern. Ziemlich tief. Könnten von Schusswunden stammen oder Granatsplittern.“
Auf dem kurzen Weg zur Telefonzelle fragte sich Boyle, woher zur Hölle Teddy wissen konnte, dass Anatoli Ryschkow Narben am Hintern hatte und – womöglich weit erstaunlicher, woher er wusste wie Grantsplitternarben sich von Schussnarben unterschieden.
4 Uhr 19. Er hatte das Licht der Lampe draußen im Vorgarten lange vor dem Jungen gesehen. Ein schlichter Reflex, dem Jungen den Lauf der Flinte ins Gesicht zu halten. Ihn zum Aufstehen aufzufordern und ihn dann – nachdem das Klopfen an der Tür ertönt war – Richtung Flur zu schieben. Er hatte sogar daran gedacht dem Jungen eine Decke zuzuwerfen, die am Küchenboden gelegen hatte.
„ Ich mach Dich … alle, wenn … Du was Falsches sagst.“
Laut genug um den Kopf des Jungen eifrig auf und nieder hüpfen zu lassen.
Es hatte eine Weile gedauert bis der Junge es schaffte den Polizisten, der mit seiner Lampe vor der Tür gestanden hatte, tatsächlich abgewimmelt hatte.
Younas hatte nicht jedes Wort verstehen können. Nur soviel war ihm klar geworden: die Polizei suchte nach einem Ausländer, wahrscheinlich Türken, in einem dunklen Mantel.
Der Junge war ein ziemlich geschickter Lügner. Auf die Frage des Polizisten, was er hier in dem Haus eigentlich um diese Zeit zu suchen hätte, meinte Younas den Jungen entrüstet antworten gehört zu haben, er verstünde nicht was die Frage solle, er sei vor zwei Tagen bereits hier eingezogen.
Nachdem der Polizist die Lampe heruntergenommen hatte, sich umdrehte und ging, zog Younas den Jungen in den dunklen Flur zurück. Legte die Finger auf die Lippen. Der Junge verstand.
„ Polizist gesagt: sie suchen Kanaken, ja?“
Wieder nickte der Junge. Er zitterte und sein Körper hatte sich mit Gänsehaut überzogen.
Draußen stand ein Wagen und der Junge hatte den Schlüssel dazu.
Es gab einen Weg hier heraus.
Auch wenn Younas bisher keine Vorstellung hatte WOHIN er wollte – wusste er doch, dass er es in diesem Haus, mit dem Toten am Küchenboden, nicht mehr allzu lange aushalten konnte.
Also hatte er den Jungen gezwungen ins Schlafzimmer zurückzugehen, seine Sachen vom Boden aufzuklauben und sich anzuziehen.
Da war keinerlei Befriedigung darüber gewesen, dass es jetzt vorbei war. Obwohl – wirklich vorbei war es auch gar nicht. Ein weiterer Name war auf Younas Liste geraten: der Halif Kahns.
So oder so - Younas Leben war vorbei. Er stellte fest, dass er es nicht einmal mehr bedauern konnte.
Durchs Fenster hindurch sah Younas den Himmel. Die wenigen Sterne, deren Licht vergeblich gegen das aufkommende Morgengrauen ankämpfte. Er hörte die Vögel in den Hecken und Bäumen. Roch das satte Aroma frisch gemähten Rasens in der Luft.
Nein, nichts war vorbei solange er nicht bei Halif gewesen war. Was er jetzt brauchte war ein Rasierer – und ein kleines Quäntchen Glück.
„ Bad - wo?“
Der Junge wies stumm auf eine Tür den Flur hinab. Younas wackelte mit dem Lauf der Flinte. Bedeutete dem Jungen ihm voranzugehen.
6 / 5. 9. 2000, 4 Uhr 26 – 7 Uhr 55
4 Uhr 26. Es hatte wieder zu regnen begonnen. Boyle rannte, die Lederjacke über den Kopf gezogen, zu Teddys Wagen zurück.
Teddy stieß von innen die Tür auf, Boyle glitt herein und verteilte dabei kleine Bäche von Regenwasser über Teddys helle Lederpolster.
„ Der BND sagt, Halif hat gestern Nacht um zehn mit einer seiner Kreditkarten einen Flug nach Istanbul bezahlt. Der Flug geht heute Morgen um neun.“
„ Was ist mit Ryschkow?“, fragte Teddy, den Blick dabei stur zur Frontscheibe gerichtet.
„ Eine junge Brünette hat ihn gestern Nacht im Achten Revier als vermisst gemeldet. Gab an, er sei vorgestern Abend aus seinem Hotelzimmer im ATLANTIC verschwunden und habe sich nie wieder gemeldet. Sie hatte einen deutschen Pass dabei. Der lautete auf Anastasia Ryschkow, 26, geboren in Kiew.“
„ Anatoli ist alte russische Schule, der steht auf füllige Blondinen, und verheiratet ist er definitiv nicht.“
Beide Männer schwiegen einen Augenblick.
„ Was meinst
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