Glashaus
auf die Suche danach machen.“
Der Notarzt stieg in seinen Krankenwagen.
„ Ihren Traum, woran könnte ich ihn erkennen?“
Das Fenster in der Tür des Krankenwagens surrte herab.
„ An dem schlichten Wörtchen RESPEKT vielleicht.“
Der Notarzt zögerte einen Moment.
„ Ich meine, ich kenn Sie ja eigentlich gar nicht. Trotzdem: Sie und ich – ich bin sicher wir beide werden diesen Traum erkennen, falls wir irgendwann mal auf ihn stossen sollten.“
Das Fenster surrte wieder herauf und der Krankenwagen setzte sich holpernd in Bewegung.
Fünf Minuten nachdem er verschwunden war ruckelte Beckers Wagen den schmalen Weg herab. Stoppte und spie seine Fracht aus.
Kaum einer der Männer und Frauen rundum kümmerte sich darum.
Becker stapfte zielstrebig auf Boyle zu, sobald er ihn am Rand der Absperrung entdeckt hatte.
„ Du hattest Recht was diesen Younas Aris angeht. Ich hab ihn überprüfen lassen. Keine Vorstrafen. Absolut sauber.“
Beckers Atem ging heftiger als gewöhnlich und sein Mondgesicht wirkte eigenartig aufgedunsen. Nur seine Augen waren immer noch dieselben: klein schnell und gefährlich kalt.
„ Er stammt aus irgendeinem Nest in Kurdistan. Lebt seit fünfzehn Jahren hier. Hat seine Steuern immer pünktlich bezahlt, ist mit einer Türkin verheiratet und hat eine Tochter auf dem Gymnasium. Übrigens dasselbe, auf das auch Stillers Sohn gegangen ist. Aber ich nehme an, dass Dich das nicht sonderlich überrascht, oder?“
„ Nein. Aber das sein Vorname Younas ist wusste ich noch nicht.“
„ Warum hat er das getan?“
„ Was? Diese drei Jungen erschossen? Aus Rache.“
„ Wofür?“
„ Stillers Sohn hat zusammen mit den drei anderen Jungs von dem Foto seine Tochter vergewaltigt.“
Becker stutzte.
„ Welches Foto? Ich weiß von keinem Foto.“
Boyle Blick konzentrierte sich eine Sekunde auf Tommys roten Porsche.
„ Ich hab in der Wohnung des zweiten Jungen ein Foto gefunden. Tommy hat es für mich überprüft. Es waren vier Jungs darauf. Drei davon sind jetzt tot. Der vierte lebt vielleicht noch, das heißt, wenn wir Glück haben. Eigentlich sollten Deine Leute jetzt nach seiner Freundin suchen, weil er sich dort wahrscheinlich verkrochen hat. Übrigens dieser vierte Junge hat für Halif Kahn gedealt. Und keinen Kleinscheiß. Wir haben eine Akte über ihn.“
Becker war aufrichtig überrascht.
„ Ich weiß auch nichts von dieser Freundin. Was immer Tommy Graf da angestellt hat, er hat jedenfalls keinem was davon erzählt.“
Tommy hatte Boyle hintergangen. Und das mehr als einmal. Zuerst im Büro, bevor Boyle zu Saschas Club gefahren war, danach am Telefon, kurz bevor er sich unerlaubterweise vom Dienst abgesetzt hatte.
WESHALB?
„ Warum krieg ich Tommys Akte nicht zu sehen?“
„ Weil sie verschwunden ist. Deshalb.“
Boyle starrte Becker fragend an.
„ Wie verschwunden? Vorhin klang das noch ganz anders.“
Becker blieb ungerührt.
„ Vorhin waren auch der Innensenator und der Oberstaatsanwalt in meinem Büro. Was hätte ich sagen sollen? Das wir unsere eigenen Personalakten nicht finden wenn wir sie brauchen?“
„ Tommy muss mit irgendwem über das Foto gesprochen haben. Er hatte einen Bericht über eine Befragung da als ich mit ihm gesprochen hab.“
Becker wiegte den Kopf.
„ Kann ja sein, aber bei mir ist davon trotzdem nichts gelandet. Und wenn schon - vielleicht hat er einfach zwei Grüne hingeschickt, die haben ihm den Bericht gefaxt und das war’s. Bei den Akten auf seinem Schreibtisch war er jedenfalls nicht, die habe ich selber überprüft.“
Boyle fragte sich was Tommy da gespielt hatte – und vor allem in welcher Mannschaft und auf wessen Tor hin.
„ Übrigens weißt Du, dass Halif Kahn für Aris bei seiner Einreise gebürgt hat?“
Die Verbindung nach der Boyle so lange gesucht hatte. Da war sie.
„ In der letzten S-Bahn nach Bornhorst war ein Kerl mit einer Schrotflinte. Hat den Schaffner bedroht und den Zug auf freiem Feld gestoppt. Der Schaffner steht noch unter Schock, aber die Leute, die außerdem im Wagen waren, haben ihn als Ausländer beschrieben, vielleicht Türke, ungefähr Mitte vierzig. Wir haben ihnen das Phantombild gezeigt, dass die Zeugen aus der Disko angefertigt haben, vor der er den dritten Jungen erschossen hat. Zwei der Leute aus dem Zug waren sich sicher, dass es unser Mann war, der den Zug gestoppt hat. Was treibt er so weit außerhalb der Stadt?“
Für Boyle keine Frage.
„ Er sucht den vierten Jungen.
Weitere Kostenlose Bücher