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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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aus seinem Hirn bannen können. Die höchste Hoffnung, die er sich machen konnte, dass die Bilder mit der Zeit verblassten. Sich Ryschkows heraus getrenntes Herz in eine Schwarz-Weiß-Fotografie verwandelte, und sich die unterschwellige Beklemmung beim Gedanken an das Kind in Sascha Bauch irgendwann - wenn schon nicht in Freude - dann immerhin wenigstens stille Erwartung verwandelte.
    „ Du bist, was Du bist, Bulle“, hatte Premuda gesagt. Nur fragte sich immer noch WAS.
    Tommys Wagen war ein roter, gut gepflegter Porsche 968, den er - aus irgendeinem Boyle nicht erfindlichen Grund - abgöttisch geliebt hatte.
    Zwei Grün-Weiße und ein Mann von der Spurensicherung waren gerade dabei die Tür des Sportwagens zu öffnen um Tommys Überreste in einen dabei stehenden Blechsarg zu bugsieren.
    Boyle sah ihnen eine Weile dabei zu und fühlte sich zu leer und ausgebrannt um für Tommys Tod mehr als bloß unbestimmt leeres Bedauern zu empfinden.
    „ Hallo.“
    Boyle sah sich nach der Stimme um. Derselbe schlanke hoch gewachsene Arzt, den man bereits zu Halif Kahns Kühlhaus gerufen hatte.
    „ Sie kannten ihn?“
    Boyle nickte.
    „ Er war ein Freund von mir.“
    Das stille knappe Kopfnicken, mit dem der Arzt reagierte, war die einzige Art Mitgefühl zu bekunden, die Boyle in diesem Moment ertrug.
    „ Können Sie schon irgendwas dazu sagen?“
    „ Ich bin kein Gerichtsmediziner aber er ist erschossen worden. Und es war ganz bestimmt kein Selbstmord. Ein kleines Kaliber. Das Loch in seinem Kopf ist kaum zu sehen. Er hat auch nicht viel Blut verloren. Muss gleich tot gewesen sein. Nur falls Ihnen das irgendwas bedeutet.“
    Boyle wusste nicht ob es ihm wichtig war zu wissen, dass Tommy Grafs Sterben sich nicht lange hingezogen hatte.
    „ Niemand spricht hier über den Mann im Kühlhaus. Sie gehören zur MoKo, nicht?“
    Boyle ging nicht weiter auf die Frage des Doktors ein.
    „ Sagen Sie Doc, um einem Mann das Herz aus der Brust zu schneiden, braucht man dazu spezielle anatomische Kenntnisse?“
    „ Sie meinen weil es so exakt herausgetrennt war?“
    „ Würde es nicht jemand, der über keinerlei Kenntnisse von Anatomie verfügt, anders machen? Weniger exakt.“
    „ Wer immer ihm das angetan hat, kannte sich zumindest in groben Zügen aus. Auch, wenn ich damit nicht sagen will, dass es unbedingt ein Mediziner gewesen sein muss. Mein Großvater hat sein Leben lang in einer Fleischerei gearbeitet. Ich bin sicher er hätte es genauso gut gekonnt wie Ihr Mörder im Kühlhaus.“
    Boyle schwieg.
    „ Meine Eltern haben hier vor fast vierzig Jahren in einem drei Quadratmeter großen Kellerloch angefangen. Er ist sein Leben lang ein kleiner Angestellter geblieben und sie Hausfrau. Aber sie haben in dieser Stadt trotzdem zwei ihrer drei Kinder auf die Universität schicken können. Dieses Land hat ihnen Glück gebracht. Und mir auch.“
    Boyle blieb weiterhin stumm, doch er hatte sich dem Arzt zugewandt und sah ihn mit stillem Einverständnis an.
    „ Deswegen verstehe ich es nicht. Diesen Mord nicht. Und den anderen auch nicht. Soviel Hass und Gewalt. Ich arbeite ausschließlich nachts. Seit über zehn Jahren. Ich hab mehr zu sehen gekriegt als für irgendwen gut sein kann. Und zwar einschließlich mir selbst. Ein Verkehrsunfall mit toten Kindern kann einem furchtbar an die Nieren gehen, und die Selbstmordsaison von November bis Ostern bringt Dich jedes Mal fast um. Aber dieser Tote in dem Kühlhaus. Gott, so was will ich nicht noch einmal sehen müssen. Also, sagen Sie mir: Woher kommt all der Hass? Was ist mit dem Traum passiert, der meinem Vater mal so viel Glück gebracht hat?“
    Boyle zuckte die Achseln, wandte sich ab und trat auf die Männer der Spurensicherung zu die eben Tommys Porsche mit ihren Puderquasten und Tesafilmstreifen nach Fingerabdrücken abzusuchen begannen. Schließlich wandte er sich doch noch einmal zu dem Notarzt um.
    „ Dieser Traum, der Ihrem Vater angeblich so viel Glück gebracht hat – was, wenn er von Anfang an nie mehr war als ein Bluff? Aber die meisten Leute, die ihn träumen, bislang einfach nur das Glück hatten nie dahinter zu kommen?“
    Lange hoffte Boyle vergeblich auf eine Antwort. Doch immerhin – er wartete.
    „ Sie irren sich, Boyle. Dieser Traum hat existiert. Wahrscheinlich haben wir ihn nur irgendwo auf dem Weg vergessen und dann einstauben lassen. Und vielleicht ist es allmählich höchste Zeit, dass ein paar Leute endlich mal den Finger aus `m Hintern ziehen und sich

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