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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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tun.“
    Boyle wusste, dass es das damit gewesen war, weil Becker ihn bei seiner Untersuchung von Tommys Tod nicht unterstützen konnte oder wollte.
    Boyles Untersuchung sollte zu nichts weiter dienen als dazu eine Akte mit Berichten zu füllen, die keiner in der Chefetage je wirklich lesen wollte, weil keiner von ihnen etwas anderes erwartete, als dass Tommys Akte eines Tages mit dem Vermerk Täter unbekannt für immer geschlossen werden würde.
    Boyle warf einen letzten, verlorenen Blick auf den Mann, dem er zu lange vertraut hatte, und ging dann zu Tommy Grafs Wagen.
    Auf dem hellen Sportsitz von Tommys Porsche leuchtete ein feines Netz dunkelroter Spritzer.

    4 Uhr 58. Sein Gesicht im Spiegel zu sehen hatte ihm kalte Schauer über den Rücken gejagt, nicht nur wegen der blau und rot unterlaufenen Prellungen darin, sondern auch weil es soviel älter wirkte als es sein dürfte. Eine einzige Nacht hatte genügt ihn um Jahre altern zu lassen. Nichts war umsonst. Mord hatte seinen Preis.
    In dem kleinen hellen Schrank über dem Spiegel hatte er einen Rasierer gefunden und auf dem Haken an der Tür einen Bademantel, dessen Gürtel er dazu benutzte den Jungen zu fesseln, der ihm jetzt vom Boden aus mit verzerrtem Blick dabei zusah, wie er sich zwei Hände voll Shampoo in die angefeuchteten Haare rieb, dann nach dem Rasierer griff und begann sich die Kopfhaut zu rasieren.
    Was machte einen Kanaken aus? Dunkle Augen, dunkles Haar und der feine schwarze Bartschatten auf Kinn und Wangen. Doch Younas Augen strahlten nicht dunkel, sondern hellbraun aus den Prellungen und schmalen blutigen Rissen in seinem Gesicht hervor. Und sobald er nach seinem Haarschopf auch mit der Rasur von Kinn und Wangen durch war, würde sich auch das letzte jener drei klischeehaften Merkmale verloren haben, die in den Köpfen der meisten Leute einen typischen Kanaken ausmachten.
    Younas griff den Arm des Jungen, zog ihn vom Boden herauf, stieß ihn vor sich her zum Schlafzimmer. Auf dessen Boden und Bett die Sachen des toten Jungen aus der Küche lagen.
    Younas griff nach Jeans, T-Shirt und Kapuzenshirt des toten Jungen. Vielleicht würden sie über Hintern, Brust oder Bauch ein wenig spannen. Trotzdem würde es schon irgendwie gehen.
    Als Younas sich anschickte sich aus den schlammverkrusteten Hosen zu schälen, stellte er fest, dass er die Blicke des gefesselten Jungen dabei nicht ertrug. Ohne irgendeine Erklärung stieß er ihn nach draußen auf den Flur und schloss die Tür.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl in die Sachen eines Toten zu steigen, in seinen Geruch zu tauchen und seinen trocknen Schweiß auf der eigenen Haut zu spüren.
    Younas brauchte einige Sekunden seine Abscheu zu überwinden. Schließlich schlüpfte er in die weite braune Lederjacke des Toten. Und sobald er die Tür wieder öffnete, sah er in den irritierten Blicken des Jungen, dass seine Maskierung ihren Zweck erfüllte.
    Auf dem Treppenabsatz ein mannshoher Spiegel. Ein flüchtiger Blick.
    Er sah aus wie einer der Kerle, die ihre großen Wagen in Schrittgeschwindigkeit die Straßen am Hafen herabrollen ließen um die Mädchen, die dort auf Freierfang gingen, abzukassieren.
    Younas schüttelte das Befremden, das ihn beim Anblick seines Bildes erfasste ab und stieg hinter dem gebundenen Jungen die letzten Treppenstufen hinab.
    Schließlich unten im Hausflur die halbgeöffnete Küchentür, der Anblick eines Arms, einer Hand, von Scherben und Blut. Younas wandte den Kopf ab.
    „ Ich kannte ihn kaum, verstehst Du? Er hat mich fürs poppen bezahlt. Ich hab nichts mit seinen Geschäften zu tun. Du wirst mich nicht erschießen oder?“
    Unter der Angst lag Hoffnung in der Stimme des Jungen.
    „ Nein“, antwortete Younas, versetzte dem Jungen erneut einen Stoß.
    „ Ich weiß, dass er immer ziemlich viel Geld in seinem Auto hat. Hast Du den Brilli in seinem Ohr gesehen? Mindestens drei Karat. Ich kenn jemand der gibt uns locker zwei Große dafür. Wir teilen es uns, ja?“
    Der Schlag, den Younas dem Jungen versetzte, war hart genug ihn taumeln zu lassen. Dennoch machte Younas sich gar nicht erst vor, dass er ihn ebenso gut aus Abscheu vor sich selbst, wie Ekel vor dem Angebot des Jungen ausgeteilt hatte.

    5 Uhr 04. Boyle öffnete Tommys Wohnungstür mit einem der Schlüssel, die er im Handschuhfach des Porsches gefunden hatte und versuchte dabei die Erinnerungen, die ihn überfallen hatten, sobald er Tommys Wohnung betrat, beiseite zu schieben.
    Schritt für Schritt

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