Glashaus
Chef der MoKo - was, fragte sich Boyle, sollte er mit einer Prostituierten zu schaffen haben. Selbst, wenn sie später tot unter der Kennedybrücke gefunden worden war.
„ Du bist Chef der MoKo, nicht bei der Sitte. Was geht Dich `ne Nutte an, die aussagen will?“
„ Sie wusste, wer die vierzehn Flüchtlinge vorletztes Jahr in den K-Line Container gesteckt hat.“
Boyle erinnerte sich an den Fall, der weltweit Schlagzeilen gemacht hatte.
Im Hafen war mitten im November ein Container mit vierzehn nigerianischen Frauen und Kindern aufgetaucht, die irgendein Monster in Lagos in einen Container gesteckt und dann als Stückgut deklariert und unter jeder Menge anderer Container auf einen Frachter verladen hatte.
Als der Frachter mit dem Container Wochen später festmachte hatten Hafenarbeiter nur noch verhungerte und verdurstete Leichen gefunden.
„ Bis vor ungefähr zwei Stunden hätte ich jede Wette angenommen, dass Du das Schwein warst, der meine Informantin ans Messer geliefert hat.“
Immerhin – Teddy Amin und Boyle und Drogen ergaben VIELLEICHT IRGENDWIE Sinn. Aber Mord nicht.
„ Was hat Dich davon abgebracht?“
Haffner grunzte.
„ Nur weil Tommy tot ist, meinst Du, er muss Dein Maulwurf gewesen sein? Das ist `n bisschen sehr kurzsichtig, Haffner. Selbst für Dich.“
Haffner überging Boyles Anspielung, trat ans Spülbecken, öffnete den Wasserhahn und warf sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er war einundsechzig und seit über vierzig Jahren Polizist. Sein Gesicht glich einem verwüsteten Steinbruch.
„ Verstehst Du das nicht, Boyle? Ich kann einfach nicht abtreten ohne zu wissen ob es hier in der Stadt irgendein Schwein gibt, das seine Hand aufhält, wenn ein anderes Monster in Lagos vierzehn Frauen und Kinder in einen Container steckt und einfach krepieren lässt, und dabei womöglich auch noch von einem unserer Leute geschützt wird.“
Nie hätte Boyle für möglich gehalten, dass ausgerechnet er irgendwann einmal dazu käme, Mitgefühl mit Bulldogge Haffner zu empfinden. Und doch war es so.
„ Tommys Personalakte ist verschwunden. Aber Stiller und Klein vom LKA waren die letzten, die sie angefordert haben.“
Haffner wandte sich zu Boyle und sah ihm eine Weile mit tiefer Skepsis in die Augen.
„ Kann sein, dass Stiller oder Klein sie angefordert hatten, aber danach ist sie nie zur Personalabteilung zurückgekommen.“ Haffner trat zu dem Stuhl, über den er seinen Mantel geworfen hatte und zog Tommys Akte daraus hervor.
„ Die letzte Seite fehlt.“
Die letzte Seite einer Personalakte enthielt den Vermerk der Abteilung der der Beamte, zu dem sie gehörte, zugeteilt worden war.
Haffner legte die Akte auf Tommys Küchentisch. Gab ihr einen sanften Stoß in Boyles Richtung.
„ Der letzte, der sie vor mir hatte war Bertram Stolze.“
Boyle sah überrascht auf.
„ Dein Stellvertreter?“
„ Ja“, bestätigte Haffner, „mein Stellvertreter. Und ich hab ums Verrecken keine Ahnung WAS er damit wollte.“
5 Uhr 22. Der Junge war ohne Schwierigkeiten zu seinem Wagen gegangen, hatte sich hineingesetzt und war losgefahren. Younas fühlte sich so müde und ausgelaugt als hätte er seit Jahren keine Nacht mehr in einem Bett verbracht. Die Schrotflinte lag unter Younas Sitz. Der Junge am Steuer war so verängstigt, dass Younas nicht daran zweifelte, dass er auch ohne die permanente Bedrohung eines Flintenlaufs tat, was Younas von ihm verlangte.
Der Junge, der nachdem er den Wagen aus der Einfahrt und über die schmale Straße zwischen den Häuserreihen gelenkt hatte, jetzt das Radio einschaltete. Für einen Augenblick dröhnte der harte Beat irgendeines Hip-Hop-Songs aus den Lautsprechern. Younas drehte das Radio ab. Er hatte erledigt was zu erledigen war, jetzt zu hören, dass man bereits dröhnend zur Jagd auf ihn geblasen hatte, war ihm gleich. Und bescheuerten Hip–Hop hätte er ausgerechnet jetzt am allerwenigsten ertragen.
„ Kein Radio.“
Der Kopf des Jungen fuhr in servilem Nicken ein paar Mal auf und nieder.
„ Er hat mich dafür bezahlt, verstehst Du? Ich mache das nur, bis ich ein bisschen was zur Seite gelegt hab. Dann hau ich aus diesem Scheißland ab. Er war ein Schwein. Aber er hat gut gezahlt. Er sagt seine Leute hätten was gegen Schwule. Er hat mich verprügelt, als ich gefragt hab was das für Leute sind, verstehst Du? Und er hat gesagt, er legt mich um, wenn ich es je irgendjemand erzähle.“
„ Schnauze.“
Der Mund des Jungen verzog sich zu einem harten
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