Glashaus
Ryschkow nach Hamburg gekommen war um sich nach einem Kandidaten für eine Übernahme umzusehen.
„ Und irgendwann ist er bei Anatoli Ryschkow gelandet?“
Premuda wackelte mit dem Kopf, der immer mehr wie ein Totenschädel wirkte.
„ Ryschkow war scharf auf Halifs Anteil vom Kuchen. Diesen Dealer und sein Verteilernetz zu übernehmen wär `n guter Anfang gewesen. Vielleicht – und ich sage vielleicht , Bulle – war Ryschkow aber so doof Halif selbst `n Angebot zu machen. Halif ist zum Schein drauf eingegangen und hat zum ersten Mal in seiner Karriere in den eigenen Hinterhof gekackt, als er Ryschkow in seinem Kühlhaus hat ausbluten lassen. Aber weil er ein cleverer Türke ist hat er es nicht seine eigenen Leute machen lassen, sondern zwei Exbullen, die ihm Stolze und Geist vermittelt haben. Muss ihn `ne fette Stange Geld gekostet haben, sie dazu zu bringen es AUF DIESE ART zu machen. Aber – es hat Vorteile. Jeder auf der Straße wusste bisher, dass Halif ein zäher alter Knochen ist. Jetzt aber werden sie sich alleine wegen Ryschkows herausgeschnittenem Herz mehr als je zuvor vor ihm die Hosen scheißen.“
Boyle durchdachte was Premuda gesagt hatte und kam zu dem Schluss, dass es durchaus Sinn machte.
„ Und was den Kanakenkiller angeht. Das ist wirklich `n irres Teil. Halif hätte seinen Dealer nicht selbst umlegen können, weil er keine Beweise für dessen Betrug hatte. Und ohne handfeste Beweise hätten seine Leute wahrscheinlich Stunk gemacht, hätte Halif ihn trotzdem platt machen lassen. Halif war noch schwer damit beschäftigt eine Lösung zu suchen, als ihm ein unglaublicher Zufall zu Hilfe kam.“
In Boyles Hirn – KLICK,KLICK,KLICK.
„ Halif hat für die Einreise des Kanakenkillers gebürgt.“
Premuda wurde erneut von einem leisen kratzenden Hustenanfall geschüttelt.
„ Genau. Und dieser bescheuerte Idiot von einem Dealer hatte sich doch tatsächlich die Tochter von Halifs Nichte für seinen kleinen Ritt ausgesucht. Alles was ich über ihn weiß ist, dass er kein großer Traditioneller war wie manche von den anderen Kids heutzutage. Möglich, dass er einfach unterschätzt hat was er damit anrichten könnte. Aber vielleicht hatte er es aber auch ganz BEWUSST auf Halifs Nichte abgesehen, um so aller Welt ganz offen zu zeigen wie weit Halif schon abgewirtschaftet hatte.“
Boyle glaubte vielleicht in gewissem Maße an Glück – aber nicht an Zufälle. Es hatte nichts weiter gebraucht als einen überkorrekten Richter, der zur Unzeit eine Neonazidemo genehmigte, einen von Ehrgeiz zerfressenen auswärtigen Gangster, der von seinem Teil des fetten Hamburger Kuchens träumte, und einen nicht weniger maßlosen Dealerkapo, um diese Stadt innerhalb der nächsten zehn bis zwölf Stunden unaufhaltsam in das wohl schlimmste Chaos seit der Flutkatastrophe von 1962 zu stürzen. Das Letzte, was Boyle wollte, war dabei zu sein, wenn die Mischung aus Ignoranz, Hass, Blödsinn und Machtgier irgendwann im Laufe des Tages mit einem großen lauten Knall hochging.
„ Wie dem auch sei - Halif hatte einen glasklaren Anlass den Jungen umlegen zu lassen, und seine Leute auf der Straße werden ihm wahrscheinlich dafür auch noch fröhlich applaudieren.“
„ Stolze und Geist - Du schuldest mir immer noch den Beweis, dass sie nicht für Dich arbeiten.“
„ Ich schulde Dir gar nichts, Bulle. Aber weißt Du, wer Küchendienst im U-Haft Trakt in Santa - Fu hat? Färber und Saleki. Ich wette, dass einer von denen irgendwann letzte Nacht Besuch von Stolze oder Geist gehabt hat.“
„ Gift im Kaffee?“
„ So ähnlich.“
Der Blick des alten Mannes senkte sich auf Stillers Überreste im Gras und blieb einige Zeit darauf haften.
„ Ich hätte keinen Grund diesen Kanaken umlegen zu lassen und erst recht keinen, Dir den Beweis zu verschaffen, den Du brauchst um Stolze und Geist wegen Mordversuchs einfahren zu lassen, wenn sie für mich arbeiten würden.“
Verarsch mich nicht alter Mann, dachte Boyle.
„ Es sei denn, Du meinst, dass es Zeit sei sie loszuwerden, weil sie mittlerweile zu heiß geworden sind um noch für Dich zu arbeiten.“
Premuda lachte wieder und schüttelte dann den Kopf.
„ Wer weiß, Bulle, wer weiß. Wie sagt man doch – die Hoffnung stirbt zuletzt?“
Der Alte wandte sich von Boyle ab und ging mit kleinen Schritten über die Wiese zu dem einsamen Weg, der in ein paar hundert Metern auf einem breiteren Weg mündete, welcher wiederum schließlich auf eine stille Straße
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