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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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führte, an der Premuda wohl seinen Wagen geparkt haben musste.
    Als Boyle ihm schließlich folgte, tat er es ohne noch einmal einen Blick auf Stillers Leiche im Gras geworfen zu haben. Seine Schritte wirkten so steif, als trüge er allein die Bürde all der Toten dieser Nacht auf seinen Schultern. Dabei hatte er nichts weiter getan als seinen Job. Immerhin war er wohl ziemlich gut darin gewesen. Bloß zweifelte er daran, dass irgendwer ihm ausgerechnet heute Morgen dafür irgendetwas geben würde.
    Sowie er die Straße erreicht hatte, winkte er ein einsames Taxi herbei und an der nächsten freien Telefonzelle, wechselte er bei dem Fahrer einen Zehner in Kleingeld, bat ihn zu warten und wählte in der Zelle jene Nummer in Amsterdam.
    Diesmal nur zwei Klingelzeichen, bis sich die kratzige Stimme meldete.
    „ Die Toten in dem K-Line-Container vor zwei Jahren. Ich habe einen Informanten, der behauptet, dass es sich dabei um Dissidenten gehandelt hat, und dass sie draufgegangen sind, weil irgendein Drecksack in Berlin irgendeinem anderen Drecksack in Lagos einen Gefallen getan hat.“
    Schweigen. Dann Husten.
    „ Wer ist Dein Informant?“
    „ Vergiss es.“
    Wieder Husten.
    „ Hör zu Boyle: was immer Du von jetzt ab tust. Versprich mir, dass Du es vorsichtig tust. Das ist sehr dünnes Eis, mein Junge. Du wärst nicht der erste, der darin einbricht.“
    Scheiße – dann musste es WAHR sein.
    „ Wer? Ich brauch einen Namen.“
    „ Kein Name. Aber ein Tipp – in Nigeria sind die Amis ganz dick im Ölgeschäft. Und solange die dort bloß ein paar Warlords und Häuptlinge zu schmieren haben um drin zu bleiben ist das Ganze ein traumhaftes Geschäft. Aber wehe es kommt der Tag, an dem da mal eine richtige Regierung die Macht übernimmt und einen fairen Anteil am Kuchen verlangt.“
    Klick. Die Verbindung war unterbrochen worden.
    Aber Boyle wusste auch so schon genug.
    Sein Taxi wartete.

7 / 5. 9. 2000, 8 Uhr - 10 Uhr 50
    8 Uhr. Die Frau hatte von Angesicht zu Angesicht weit eigenwilliger und verschlossener gewirkt als auf ihrem Bild, das Younas in der Zeitung gesehen hatte. Bis heute konnte er die Sprache dieses Landes besser lesen als sprechen. Trotzdem hatte er sich nie sonderlich für einheimische Zeitungen interessiert.
    Doch vor einigen Wochen hatte Sertab in der Schule einen Vortrag gehört.
    „ Sie war so COOL, Vater. Sie ist CHEFREDAKTEURIN. Sie sieht phantastisch aus. Sie hat uns von ihrem Job erzählt. Worauf es dabei ankommt – dass man unbestechlich bleibt und versucht die Wahrheit herauszufinden.“
    Dabei hatte sie auf ein Foto auf der ersten Seite der ABENDZEITUNG gewiesen, dass eine schlanke Brünette mit schräg stehenden Augen und einem vollen Mund zeigte.
    „ Sie heißt Francesca Bellini. Ich will Journalistin werden. Ich schaff das. Ganz bestimmt.“
    Bild und Namen der Frau hatten sich Younas eingeprägt. Wahrscheinlich nur deswegen, weil Sertab selten zu solch Lobeshymnen neigte, und es ihn einfach interessiert hatte, WER die Frau war, der seine Tochter so große Bewunderung entgegenbrachte, dass sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr Tierärztin sondern Journalistin werden wollte.
    Und wahrscheinlich hätte er auch mit jedem anderen bei der ABENDZEITUNG gesprochen, doch als er das Redaktionsgebäude betrat, und nach einem „ … Schreiber.“ fragte, hatte ihn ein missmutiger Pförtner nach oben in das Zimmer Bellinis geschickt.
    Jetzt – fast eine Stunde später - saß er auf einem harten Stuhl vor der Rezeption des Polizeipräsidiums und kam sich selbst so unendlich fremd vor, dass er - wäre er in diesem Moment an sich selbst vorübergegangen - sich selbst wohl nur wie einem entfernten Bekannten zugenickt hätte.
    Bellini war vor zwei Minuten zu dem Beamten zum Schalter gegangen und hatte ihm ihre Visitenkarte gereicht. Jetzt besprachen sie irgendetwas miteinander, das Younas auf seinem Stuhl unmöglich verstehen konnte.
    Andererseits war es auch völlig gleich, ob er verstand, was die beiden da redeten. Allzu viele Themen gab es nicht, die sie miteinander zu besprechen hätten.
    Und richtig: Younas sah wie sich das Gesicht des Mannes über seinem Uniformkragen zunächst misstrauisch verzog und sich dessen Blicke gleich darauf an Younas festsaugten. Ungläubig trat der Beamte dann an Bellini vorbei aus seinem Schalter heraus auf Younas zu.
    „ In zehn Minuten ist Herrn Aris Anwalt hier. Ich erwarte, dass Kriminalrat Becker Herrn Aris jetzt in Empfang nimmt und PERSÖNLICH für

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