Glasklar
aber anstrengend gewesen und der gestrige Mittag ebenso. Dass die Sitzung vergangene Nacht bis gegen halb eins dauerte und er dabei von Lechner enttarnt wurde, hatte ihm vollends den Rest gegeben. Er war trotzdem nicht gleich ins Bett gegangen, sondern hatte ein Erinnerungsprotokoll in die Tasten seines Computers gehackt. Schließlich hatte er während der Sitzung keine Aufzeichnungen machen können, um nicht den Argwohn der ohnehin misstrauischen Mitglieder noch zu verstärken. Bei allem, was dieser Lechner referiert hatte, war ihm nicht ganz klar geworden, weshalb dieser Mann und dessen ermordeter Freund so sehr gegen diesen Tunnel rebellierten. Aber wahrscheinlich lag es am Naturell der Menschen, die sich für eine Sache einsetzten, dass sie manchmal übers Ziel hinausschossen. Immerhin hatten die beiden – und darauf war Lechner nur am Rande eingegangen – eine gemeinsame Vergangenheit bei der Polizei hinter sich. Beide schienen jedoch sehr bald erkannt zu haben, dass dies nicht der richtige Job für sie war, weil sie ihren Lebensinhalt woanders sahen. Die Frage war nur, wo? Lechner hatte sich zu seinen Andeutungen nicht äußern wollen, und auch Linkohr hatte sich bedeckt gehalten, was schließlich der Grund für einen heftigen Eklat gewesen war. Schloz hatte in wohlformulierten Sätzen sein Befremden über die Art und Weise zum Ausdruck gebracht, wie sich die Kriminalpolizei in die Angelegenheiten eines völlig unbeteiligten Arbeitskreises einschleuste. Dass er die Rechtmäßigkeit solchen Handelns juristisch prüfen lassen werde, hätte er nicht eigens betonen müssen.
Die Sekretärin der Abteilung hatte für starken Kaffee gesorgt, sodass der junge Kriminalist an diesem Dienstagmorgen wieder einigermaßen in Schwung kam. Das halbe Dutzend Kollegen, das sich bereits versammelt hatte, um über das weitere Vorgehen zu beraten, hatte ihn mit allerlei Frotzeleien empfangen, die in der Frage gipfelten: »Aus welcher Richtung ist der Herr Kollege heute Morgen zur Dienststelle gefahren?« Damit wurde auf seine in jüngster Zeit häufig wechselnden Damenbekanntschaften angespielt. Linkohr sagte nichts dazu. Vermutlich war es nur Neid, der die älteren Kollegen zu solchen Äußerungen bewegte.
»Einen wunderschönen guten Morgen!«, schallte schließlich eine sonore Stimme durch die offene Tür, als dort Häberle erschien. Dann ging er von einem zum anderen, schüttelte ihnen die Hände und hob die bisherige Ermittlungsarbeit lobend hervor. »Kollegen«, sagte er, nachdem er sich, wie er es meist tat, mit verschränkten Armen in den Rahmen der offenen Tür gelehnt hatte, »wir haben doch schon einiges erreicht und erfahren – auch wenn manches davon sich zu keinem richtigen Bild fügen will.« Dann forderte er Linkohr auf, über seine gestrigen Ermittlungen bei der Steuerfahndung und beim Arbeitskreis der Naturschützer zu referieren. »Wir haben Ihre Protokolle alle schon im System lesen können«, äußerte Häberle zufrieden, »aber vielleicht ergeben sich noch die einen oder anderen Fragen der Kollegen hier.« Er schaute in die Runde, doch die Männer schienen eher auf die persönlichen Eindrücke Linkohrs zu warten.
»Was ich zuerst sagen möchte: Diese Sache mit der Steuerfahndung dürfte kaum etwas mit der DVD aus Liechtenstein zu tun haben. Heidenreich hat aber drei Personen im Visier gehabt, die zum Kreise unserer Verdächtigen gehören könnten: Der pensionierte Lehrer Meinländer, Sigge Starz und – ihr glaubt es kaum – unser Freund Sander.«
»Sander!«, echote einer aus der hinteren Reihe. »Wann, verdammt noch mal, nehmen wir uns den Kerl zur Brust? Der mischt sich in alles ein, taucht überall auf, und wir haben keine Handhabe gegen ihn. Was sagt eigentlich Ziegler dazu?«
Häberle wollte nicht darauf eingehen. Es lag ihm fern, das Verhältnis zu dem Lokaljournalisten zu trüben. Denn in all den vorausgegangenen Jahren hatte er nie Probleme mit ihm gehabt. Und jetzt, das wusste Häberle, tat der Journalist nichts weiter als seine Pflicht. Und dies galt es auch in solchen Situationen zu respektieren. Er entschied, dass sich Linkohr im Laufe des Tages noch einmal um die drei genannten Personen kümmern sollte. Speckinger bat er, einen Ansprechpartner beim Höhlenverein ausfindig zu machen, um etwas über Lechner zu erfahren.
»Dieser Lechner«, griff Linkohr den Namen auf, »der hat gestern Abend, wie ich niedergeschrieben habe, kernige Worte gesprochen. Und jetzt kommt es – ob ihr es
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