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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zeichnete sich ein Lächeln ab. »Seit ein paar Jahren, ja. Seit meiner Scheidung. Ich bin so froh, dass ich hier wieder alte Freundschaften pflegen kann.«
    In der Tat, dachte der Kriminalist, war es keinesfalls selbstverständlich, dass sich ehemalige Klassenkameraden 40 Jahre nach der Schulentlassung noch regelmäßig trafen. Er jedenfalls hatte so gut wie keinen Kontakt mehr zu seinen alten Freunden.
    »Sie sind auch geschieden?«, hakte er nach, um mehr über ihre Lebensumstände zu erfahren.
    »Ja«, sagte sie einsilbig, als wolle sie darüber nicht viele Worte verlieren. »Ein Drama – eine unendliche Geschichte.«
    Der Kriminalist kannte sie alle, die Horrorgeschichten von Trennungen und dem Waschen schmutziger Wäsche. Vor allem aber von endlosen Auseinandersetzungen vor dem Familiengericht, wenn es um Zugewinngemeinschaften, einen gemeinsamen Betrieb oder, noch schlimmer, um Kinder ging.
    »Die ist noch nicht abgeschlossen?«, knüpfte Speckinger deshalb an die Bemerkung an.
    »Nein, seit fast zwei Jahren nicht«, seufzte Heidelinde, »der Familienrichter scheut sich vor einer Entscheidung. Er vertagt von einem Vierteljahr ins nächste.«
    »Warum denn das?«
    »Wir hatten eine große Landwirtschaft, mein Mann und ich – der Richter hat aber leider nicht die geringste Ahnung, wie das bei einer Scheidung funktioniert«, klagte sie, und Speckinger hatte das Gefühl, sie müsse sich ihren Frust von der Seele reden. »Und solange das Verfahren sich hinzieht, bekomme ich so gut wie keine finanzielle Unterstützung. Aber scheinbar können Richter ja tun und lassen, was sie wollen.«
    Der Kriminalist wollte eine Grundsatzdebatte dazu vermeiden. Ihm war heiß, und ihm lief die Zeit davon. »Ihr Mann …« Er verbesserte sich: »Ihr Exmann hat aber nichts mit Ihren Schulfreunden zu tun?« Kaum hatte er sie ausgesprochen, erschien ihm die Frage überflüssig. Es war nur der Versuch, wieder zum eigentlichen Thema zu kommen.
    »Nein, wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Heidelinde deshalb zu Recht erstaunt zurück.
    »Nur so, aus Interesse«, war alles, was dem Ermittler dazu einfiel. »Aber noch etwas anderes. Haben Sie gestern Abend – oder, besser gesagt, vergangene Nacht – ein Küchenmesser gesehen?«
    Ihr Gesicht wurde kantig. »Ein Küchenmesser? Wo soll das gewesen sein?«
    »An der Feuerstelle«, antwortete Speckinger, um sogleich seine Frage zu untermauern: »Man hat schließlich gegrillt – rohes Fleisch. Und man hatte vielleicht auch Rettiche dabei, Tomaten – was weiß ich, vielleicht Gurken und was man halt so zum Grillen mitnimmt. Da ist es doch nicht abwegig, dass auch ein Messer gebraucht wurde.«
    »Sie meinen aber nicht wirklich …?« Sie wurde misstrauisch.
    »Ich meine gar nichts. Herr Heidenreich wurde jedenfalls mit einem Küchenmesser erstochen. Mal angenommen, da lag so ein Messer herum. Halten Sie es für denkbar, dass es unbemerkt verschwinden konnte?«
    Heidelinde überlegte und entschloss sich zu einer Gegenfrage: »Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass Sie den Täter unter uns suchen müssen?«
    Speckinger hob beschwichtigend die Hände, wie dies auch Häberle in solchen Situationen zu tun pflegte. »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Aber uns bleibt in solchen Situationen nichts anderes übrig, als dort anzufangen, wo sich das Opfer zuletzt aufgehalten hat. Und das war nun mal am Feuer.«
    »Nicht ganz«, entgegnete Heidelinde selbstbewusst, »zuletzt war er mit Sabine und mir bei den ›Wilden Gesellen‹.«
    Sie hatte recht, musste sich Speckinger eingestehen. »Okay«, gab er sich geschlagen, »trotzdem, hätte so ein Messer unbemerkt verschwinden können?«
    »Natürlich. Wenn es auf dem Biertisch lag, sogar ohne Weiteres. Der Tisch stand circa zehn Meter von der Feuerstelle entfernt. Wenn sich da jemand aus der Dunkelheit herangeschlichen hätte, hätten wir das beim Singen bestimmt nicht bemerkt.«
    »Oder es geht jemand aus der Gruppe rüber, schneidet sich Fleisch oder sonst was zurecht und steckt das Messer ein«, ergänzte Speckinger vorsichtig.
    »Na ja – mit dem Einstecken ist das so eine Sache«, gab Heidelinde zu bedenken, »so ein Küchenmesser lässt sich ja schließlich nicht zusammenklappen.«
    »Aber manche hatten vielleicht Rucksäcke dabei?«
    »Das stimmt.«
    »Sie auch?«
    Heidelinde sah dem Kriminalisten fest in die Augen und war für einen Moment unsicher, ob sie etwas erwidern sollte. Sie entschied sich dafür, ihre Empörung zu unterdrücken

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