Glasscherbenviertel - Franken Krimi
Möglichkeit, herauszubekommen, wer dieser andere Finanzagent ist? Er oder sie könnte für uns ein wichtiger Zeuge sein, denn unser Opfer ist vermutlich um die Mittagszeit gestorben. Zumindest wurde sein Handy um halb eins ausgeschaltet. Der Finanzagent könnte unserem Täter eventuell sogar begegnet sein.«
»Das wird schwierig. Normalerweise können wir die Helfershelfer bloß deshalb ermitteln, weil das Geld auf ihren Konten eingeht. Dadurch sind die Kollegen ja auch auf Bülent Alkan gestoßen. Der zweite Finanzagent, der die Scheine von Alkan übernehmen und an die Hintermänner weiterleiten sollte, hat allerdings zu keiner Zeit direkten Kontakt zu ihm gehabt. Die Kommunikation lief immer über den Hacker, der vermutlich auch für die unberechtigten Überweisungen zuständig war. Wir müssen jetzt versuchen, irgendwie an ihn ranzukommen – sofern wir das schaffen, besteht eventuell die Möglichkeit, herauszufinden, wer die Person war, die das Geld bei Alkan abgeholt hat.«
»Du hast mir doch gesagt, dass die Finanzagenten per E-Mail angeworben werden. Kann man nicht über die Website der Firma, in deren Namen sie verschickt werden, an die Hacker kommen? Ich meine, die muss doch auf irgendjemanden angemeldet sein.«
Schuster lachte. »Papier ist bekanntlich geduldig – und noch geduldiger, wenn der, dem die Firma angeblich gehört, irgendwo in Panama sitzt.«
»Und was ist mit den in den E-Mails enthaltenen IP -Adressen der Computer, von denen sie verschickt wurden? Die kann man doch zurückverfolgen.«
»Nicht wenn man einen Proxyserver verwendet. Mit deren Hilfe kann man den eigenen Internetprovider umgehen und über die IP des Proxys anonym surfen.«
»Mit anderen Worten: Es ist so gut wie aussichtslos, dass ihr die Hintermänner ermittelt?«
»Das wäre es, wenn der Täter wirklich irgendwo im Ausland sitzen würde und er nicht einen entscheidenden Fehler gemacht hätte.«
»Nämlich?«
»Er hat ein Mal eine Mail direkt geschickt – ohne Proxy.«
»Und?«
»Es ist trotzdem noch ein langer Weg, bis wir etwas Genaues wissen. Wir müssen die IP zurückverfolgen und dann die Person überprüfen, von deren Rechner aus die Mail geschickt wurde. Das dauert. Der Täter könnte beispielsweise von einem Internetcafé aus gearbeitet haben. Immerhin steht jetzt schon fest, dass die IP aus Nürnberg stammt.«
»Woher wisst ihr das denn nun wieder, wenn es doch so kompliziert ist?«
»Es gibt im Internet sogar für jedermann frei zugängliche Programme, mit deren Hilfe man eine IP grob zurückverfolgen kann. Dadurch erfährt man immerhin schon mal die Region und die Domain, von der aus die E-Mail verschickt wurde.« Schuster sah Hackenholt erwartungsvoll an. »Mensch, Frank, ist dir klar, was das unter Umständen bedeutet?«, rief er, als der Hauptkommissar nicht reagierte.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, worauf du hinauswillst.«
»Eventuell sitzen die Hintermänner hier in Mittelfranken! Wenn wir Glück haben, hat vielleicht einer von ihnen einen seiner Kumpel zu deinem Alkan geschickt, um das Geld abzuholen. Damit würdest du problemlos an deinen Zeugen rankommen – und wir hätten mit einem Schlag einen riesengroßen Fisch an Land gezogen.« Der Gedanke schien Schuster zu beflügeln: Er schnellte wie ein Gummiball von seinem Stuhl hoch und war mit wenigen Schritten an der Tür. »Die Unterlagen kannst du behalten, das sind Kopien für dich. Mit denen wirst du eine Weile beschäftigt sein. Viel Spaß beim Lesen. Ich sag dir Bescheid, wenn ich Neuigkeiten habe. Im Moment kannst du nur abwarten und Tee … äh«, er sah zu Wünnenbergs verwaistem Platz hinüber, »Kaffee trinken und uns die Daumen drücken. Es wird allerdings locker ein, zwei Tage dauern, bis ich …« Damit war er schon zur Tür hinaus.
Hackenholt saß einen Augenblick lang regungslos an seinem Schreibtisch, dann stand er auf und goss sich tatsächlich eine Tasse Kaffee ein, bevor er in den Aktenberg abtauchte und Seite für Seite jede einzelne E-Mail und jedes andere Dokument durchzulesen begann, das auf Bülent Alkans Festplatte gefunden worden war.
Am frühen Nachmittag steckte Saskia Baumann den Kopf zur Tür herein und bat ihn, in Stellfeldts Büro zu kommen. Es gäbe ein Problem.
»Habt ihr noch einmal mit Dilser und Servan Barzani gesprochen?«, fragte Hackenholt.
Der Kollege nickte. »Keiner der beiden wollte Angaben zur Sache machen. Wenn du glaubst, dass der Tod des Vaters ihnen irgendwie vor Augen geführt
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