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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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sammelten sich am Bahnsteig. Rasch bildete sich ein dichter, erstickender Kokon um sie, in dem sie sich kaum noch regen konnte. Im ersten Moment verstand sie nicht, doch das Zischen der Schienen kündigte einen Zug an.
    Die Ignoranz der Menschen entsetzte sie. Chris hätte die Frau genauso gut ausrauben oder zusammenschlagen können. Das Einzige, was Camilla von ihnen wahrnahm, war ihr Desinteresse.
    Sie sah sich nach Chris um, aber um sie standen mehrere Männer, die ihr die Sicht nahmen. Ihr Herz machte einen schmerzhaften Sprung. Camilla drehte und reckte sich. Neben ihr fuhr der Zug ein und hielt. Sie entdeckte Chris etliche Meter entfernt, links von ihr. Er drängte sich grob durch die wartenden Menschen. Hinter ihm verschob sich die Masse immer wieder leicht. Einige Leute beschwerten sich lautstark. Die Menge drängte ihn wieder ab.
    Camilla bekam langsam Angst. Die Türen der U-Bahn öffneten sich und etliche Fahrgäste stiegen aus. Die Wartenden versuchten, einen Gang frei zu halten, wurden aber immer wieder in den Weg gedrückt. Ein paar Jugendliche drängten sich rücksichtslos durch. Als einer der Jungen auf Camillas Höhe ankam, gab er einer rundlichen Frau einen Stoß und drängte sie zusammen mit Camilla in die Phalanx der Geschäftsmänner hinter ihr. Camilla verlor fast das Gleichgewicht. Helfende Hände stützten sie. Erneut wurde sie zwischen schwitzenden und parfümierten Menschen eingekeilt. Ihr wurde schlecht. Hitze und Gestank nahmen ihr den Atem. Weit hinter ihr, fast in einer anderen Dimension, schrien Frauen wütend. Sie hörte die Stimmen wie eine schlechte Bandaufnahme einer Kassette.
    Chris! Wo war er? Entsetzt wollte Camilla sich umdrehen, bekam aber einen Stoß in den Rücken. Sie stolperte gegen eine ältere Frau. Camilla hatte Schwierigkeiten, nicht zu fallen. Die alte Dame ging zu Boden. Automatisch wollte sie ihr helfen.
    »In die U-Bahn«, rief Chris weit hinter ihr. Seine Stimme schnappte über. Er hatte Angst. Grimm? Ohne zu zögern, folgte Camilla seinen Anweisungen. Als sich bei den Aussteigenden eine kleine Lücke bot, drängte sie sich in den heißen, stickigen Zug. Wütende Worte folgten ihr. Sie wirbelte herum und sah sich nach Chris um.
    Rigoros schob er sich auf die Bahn zu. Er war dennoch einige Meter entfernt. Hinter ihm kämpfte sich eine weitaus kleinere Gestalt durch. Camilla verengte die Augen. Es war sicher nicht die junge Frau. Ihr fehlte die Körperkraft dazu … Sie erhaschte einen Blick auf eine der Maschinenfrauen. Um welche es sich handelte, konnte sie unmöglich sagen. Auffällig war ihre Gnadenlosigkeit.
    Chris fürchtete sie. Er floh vor ihr. Mühsam kämpfte er sich durch die Masse.
    Sie klammerte sich an einer Haltestange fest und drängte sich fest dagegen. Die zusteigenden Menschen zwängten sich an ihr vorüber. Binnen von Sekunden verstopften sie den gesamten Gang. Die Türen zischten. Langsam schlossen sie sich.
    Camilla sah entsetzt, wie Chris einen Mann umstieß und vom Bahnsteig federte, um gerade noch in den engen Innenraum zu gelangen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie sah, dass er sich in den überfüllten Einstiegsbereich zwängte. Einen Moment später schlug die Puppe mit beiden Händen gegen die geschlossene Tür, das Gesicht wutverzerrt. Der Aufprall ihrer Fäuste war so hart, dass sich das Metall deformierte. Chris wurde durch den Druck nach innen geschleudert, gegen einen Mann im Anzug. Wütend sah dieser sich zu ihm um und wollte ihn bereits anschreien, als er die Dellen im Metall bemerkte. Erschrocken wandte er sich ab.
    Camilla betete, dass der Zug endlich losfahren würde. Tatsächlich setzte er sich langsam in Bewegung. Die Mimik der Frau verzerrte sich weiter. Alle Schönheit wich unerträglich starkem Hass. Sie fiel zurück, während die Bahn an Fahrt aufnahm.
    Die Frau auf dem Foto – Camilla wusste, dass dieser Uhrwerkmensch Andreas Grimms Partnerin war.
     
    Sie wollten am Potsdamer Platz aussteigen. Camilla konnte sich kaum aus dem engen Kokon schwitzender Menschen befreien.
    Ihre Knie zitterten. Das T-Shirt klebte an ihrer Haut und die Hosen rieben die Innenseite ihrer Oberschenkel auf.
    Erst auf dem Bahnsteig wagte sie, wieder tief Luft zu holen.
    Ihr war schwindelig. Für einen Moment setzte sie sich auf eine Bank und rang nach Atem. Chris kniete sich auf den Boden und legte ihr eine Hand auf den Oberschenkel.
    »Geht es wieder?«, fragte er sanft.
    Camilla fuhr sich über die Stirn und strich sich den Schweiß weg.

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