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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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was immer der schwarze Fetzen an ihm darstellen sollte, schlug ihm weit um den mageren Körper.
    Als er stehen blieb und den Blick hob, sah Camilla allerdings in wache und freundliche Augen. Ihr blieb die Spucke weg, ihr Hals trocknete aus.
    Der Alte strahlte etwas unglaublich Starkes und Majestätisches aus, das in Kontrast zu seiner schwachen Erscheinung stand.
    »Hast du doch noch den Weg zu uns gefunden, mein Kind«, stellte er lächelnd fest. »Du hast uns viel Sorge bereitet.«
    Camilla erkannte die Stimme nicht an ihrem Klang, dennoch wusste sie, dass es der Alte war, der sie hierher geleitet hatte. Trotzdem empfand sie Misstrauen. War es nicht seltsam genug, dass hier überhaupt jemand lebte? Der Gedanke versank in den Nebeln ihrer Müdigkeit.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie. Ihre Stimme klang spröde. Der schale Geschmack in ihrem Mund schien direkt aus ihrem trockenen Hals zu kommen. Eine Welle Übelkeit und Schwäche übermannte sie. Unsicher hielt sie eine Hand vor die Lippen und tastete mit der anderen nach der Hauswand neben sich. Das Blut rauschte in ihren Ohren, während sich dunstige Schwärze in ihr Bewusstsein fraß. Ihre Knie wurden immer weicher und die Welt drohte, langsam wegzukippen. Der Fremde verschwamm vor ihren Augen.
    Einen Moment später verlor sie den Halt.
     

Kapitel 3
    Ancienne Cologne
     
     
    B rennender Durst und brüllende Kopfschmerzen rissen Camilla aus dem Schlaf. Sie fühlte sich noch immer erschöpft. Rücken und Füße taten weh – als hätte ein Monster sie gefressen, durchgekaut und ausgespien.
    Monster? Der Gedankengang rief ihr in Erinnerung, wo sie sich befand. Tiefer Schreck durchfuhr sie. Ihre Lider flatterten. Schemenhaft erkannte sie den Alten im Licht seiner Öllampe. Unangenehmer, schwerer Petrol- und Rußgestank drang in ihre Nase. Sofort wurde ihr wieder schlecht.
    Die trockenen, dünnen Spinnenfinger des Fremden legten sich über ihre Lider.
    »Beruhige dich, Kind«, sagte er leise. Seine Stimme klang nicht weniger alt, als Camilla ihn schätzte, aber die Art, wie er sprach, weckte den Wunsch, ihm zu vertrauen. Das Timbre wirkte wie ein Zauber. Die Kühle, die von seiner Hand ausging, empfand sie als angenehm auf ihren heißen Lidern und der trockenen Stirn, auch wenn seine Haut nach Alter roch. Die Schmerzen hinter ihren Augen und in ihren Schläfen dämpften sich auf ein erträgliches Minimum.
    »Ich bin Amadeo«, sagte der Alte unvermittelt.
    Sie tastete nach seinen Fingern und schob sie von ihrem Gesicht, damit sie ihn ansehen konnte.
    »Warum sind Sie hier unten?«, fragte sie leise.
    Er lächelte. Hinter seinen dünnen Lippen verbargen sich keine Haifischzähne, wie sie befürchtet hatte, sondern nur gelbe Überreste eines eigenen Gebisses. Camilla schluckte trocken. Ekel kroch nun doch in ihr hoch, aber es erschreckte sie zumindest nicht.
    »Ich lebe hier. Das alles ist meine Stadt. Du bist in Ancienne Cologne.« Seine Worte überforderten ihren erschöpften Geist, nur quälend langsam drangen sie in ihr benebeltes Gehirn.
    Mehrfach musste sie seine Worte wiederholen. Er lebte hier? Das war seine Stadt? Sie versuchte, sich auf die Ellenbogen aufzurichten, was ihre Wirbelsäule mit stechenden Schmerzen quittierte. Langsam ließ sie sich wieder zurücksinken.
    »Wie kann man hier leben?«
    Amadeo hob die Schultern. »Genau wie man oben leben kann, nur dass es hier ruhiger ist.«
    »Warum stehen hier all die alten Häuser?«
    Er neigte sich über sie und deutete zu einem Gebäude, das halb im Schlamm versunken war. »Das war der Flusssand«, erklärte er. »Über die letzten zweitausend Jahre sind Gebäude abgesunken und überbaut worden.«
    Camilla verdrehte den Nacken, um im Liegen die Häuser zu betrachten. Stechender Schmerz schoss durch ihre Stirn.
    »Das alles ist wie ein Wunder«, murmelte sie. »Vor allem, weil viele der Bauten über die Jahrhunderte fast unberührt geblieben sind.«
    Er nickte lächelnd.
    Camillas Fantasie fand reichlich Nahrung an diesem Ort. Sie stellte sich vor, dass es unter Berlin ein zweites Berlin gab, in dem unerkannt Menschen lebten und ihre ganz eigene Kultur und Zeitrechnung entworfen hatten. Die Idee gefiel ihr, sie barg einen hoffnungsvollen Grundton.
    »Deine Gedanken liegen offen, Camilla.«
    Amadeos Stimme drang von weit her in ihren Geist.
    »Wieso?«
    »Weil ich sie hören kann«, sagte er schlicht, wobei er auf seine Schläfe tippte.
    Für einen Herzschlag begriff sie nicht. Entsetzt fuhr sie zusammen. »Soll

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