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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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solange ich hier bin. Es ist, als ob sich meine Art zu fühlen und zu denken ändert, verstehst du?« Sie biss sich auf die Unterlippe, als ihr klar wurde, dass Theresa und sie bis vor kurzer Zeit eine Einheit gewesen waren, die jeder um sie auch als solche begriffen hatte.
    »Du merkst, dass dir das Leben allein schwerfällt, weil eine die andere ergänzte«, stellte Chris fest und schob seine Zigarette wieder in den Mundwinkel. »Aber du bist stark genug, Camilla. Du musst dich über niemand anderen definieren.«
    Seine Worte stimmten nachdenklich. Vielleicht hatte er recht. Theresa würde immer in ihrem Leben fehlen, weil sie etwas Besonderes war. Camilla wollte es mit einem Seelenzwilling vergleichen, konnte aber nicht. Tatsächlich hatte sie die Trennung von Theresa schon in der Charité gespürt. Dort hatte etwas in ihr beschlossen, allem zu widerstehen, während Theresa sich treiben ließ.
    Das brodelnde Wasser riss sie aus den Gedanken. Chris fischte den Milchtopf mithilfe seines Ärmels von dem Dreibein und goss den Tee auf. Ein wenig Asche seiner Zigarette fiel zwischen die Tassen. Nachlässig wischte er sie zu Boden.
    Alle Überlegungen zu Theresa wichen der Person, die ihr im Moment nah war. Camilla schüttelte strafend den Kopf und drehte das Gas des Campingkochers ab. »Spinner«, murmelte sie.
     
    Gemeinsam saßen sie auf dem Sofa. Camilla versuchte, ihre Sorgen und Ängste zu kontrollieren, damit sie sich Chris’ Erklärungen widmen konnte. Allerdings erwartete sie fast, dass er etwas sagte, was ihre Welt erneut ins Wanken brachte und noch mehr mit Grauen durchwirkte.
    Während der letzten Tage hatte sie festgestellt, wie sehr sich die morbide Realität an ihre finstere Fantasie annäherte. Sie konnte kaum sagen, worin all das, was sie erlebte, noch ausufern würde. Aber ihr war bewusst, dass sie nur die Spitze des Eisberges gesehen hatte.
    Gespannt kauerte sie sich neben Chris und zog die Beine an. Fürsorglich legte er ihr die Wolldecke über und drehte sich eine weitere Zigarette. Plötzlich sah er sie an. »Auch eine?«, fragte er und deutete auf das Tabakpäckchen.
    »Ich rauche nicht.«
    Er lächelte matt, zündete sich die Zigarette an und griff nach dem Aschenbecher, der neben dem Sofa auf einem maisgelben Nierentisch stand. Er hustete. Wieder rasselten seine Bronchien besorgniserregend. »Glückliche«, sagte er.
    Vorsichtshalber ging Camilla nicht darauf ein. »Erzähl alles, was du über Theresa und den Sandmann weißt«, drängte sie. Eine undefinierbare Unruhe prickelte in ihrem ganzen Körper.
    Er zog an seiner Zigarette und blies den Rauch nach oben, als wollte er Zeit schinden, denn er zog auch die Teetasse zu sich heran und nahm einen Schluck.
    »Hast du gesehen, wie sie starb?« Camilla versuchte, ihm den Anfang leichter zu machen.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein«, bekräftigte er. »Olympia kam nur heute früh zu mir.«
    Eine Erinnerung blitzte auf, die sofort verschwand, als sie sich darauf konzentrieren wollte. Leise fluchte sie, sah schließlich zu ihm. Er strich sich durch die Haare. Offensichtlich fiel es ihm wirklich schwer, zu sprechen. Die Frage nach Olympia lag ihr bereits auf der Zunge.
    »Hör mal«, sagte er, »du wirst mir ohnehin nicht alles glauben, was ich sage. Soll ich dich nicht einfach zu ihr bringen?«
    Zorn wallte auf. Er war ein Feigling! »Erzähl endlich!«, zischte sie und spürte, wie ihr das Blut heiß in den Kopf schoss. »Hast du solch eine Angst, dass ich dir nicht zuhören werde?«
    Chris hob beide Hände, als wollte er sie abwehren. »Das ist es nicht. Nur …« Er verstummte und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Langsam senkte er den Kopf und verschränkte die Hände im Nacken. Ein dünner Rauchfaden stieg von der glimmenden Zigarette zwischen seinen Fingern auf.
    Er zog sich zurück. Sie hatte ihn zu stark bedrängt. Gerade, als sie etwas sagen wollte, um ihre Reaktion zu entkräften, fragte er leise: »Kennst du das Buch Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann ?« Seine Stimme klang gedämpft, verlor sich fast zwischen seinen Armen, mit denen er seinen Kopf schützte.
    »Ja, kenne ich …« Sie zuckte zusammen. Der heiße Tee, von dem sie noch nichts getrunken hatte, schwappte über und spritzte auf ihren Oberschenkel. Der Schmerz rückte in den Hintergrund, als sich plötzlich die fehlenden Querverbindungen ergaben.
    Der Sandmann war es, der den Kindern die Augen aus dem Kopf schnitt und sie seiner Brut zu fressen gab. Nathanael, der

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