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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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Schwer atmete sie durch. Ihre Augen brannten. Camilla blinzelte und verfluchte still die Kontaktlinsen, die hinter den Lidern rieben.
    Chris’ Blick hatte sich nicht sonderlich verändert. Er erweckte immer noch den Eindruck, in seinem eigenen Albtraum gefangen zu sein. Seine Augen waren weit offen.
    Camilla erschauderte. Ihr Verdacht gegen ihn schwand. Vielleicht hatte er miterlebt, wie Theresa starb, oder zumindest, wie ihre Seele wechselte. Zumindest war er der Einzige, der ihr hier und jetzt Antworten geben konnte, die vielleicht halfen, diese Gefühlsblockade zu überwinden. Aber dazu musste er erst sich selbst wiederfinden.
    Er saß noch immer reglos da. Seine rechte Hand lag schwer in ihrem Nacken, während die andere von ihrer Schulter gefallen war und auf seinem Oberschenkel ruhte. Sein glasiger Blick verlor sich an einem weit entfernten Punkt hinter ihr.
    Behutsam legte sie ihre Finger auf seine Wange. Sie spürte kurze, raue Stoppeln, während sie vorsichtig bis zu seinem Kinn strich.
    Chris schrak zusammen. Leben kehrte in seine Augen zurück.
    »Chris?«, flüsterte sie heiser. »Bitte erzähl mir alles.«
     

Kapitel 4
    Der Sandmann
     
     
    A uf Chris’ Bitte hin wollte Camilla neuen Tee kochen. Im Nebenzimmer, das wesentlich kleiner war als der Wohnraum, hatte er sich etwas Vergleichbares zu einer Küche eingerichtet. In einem alten Bauernschrank fand sie seine Vorratskammer, die alle Arten von haltbaren Lebensmitteln beinhaltete, darunter auch etliche Pakete Kaffee und Tee.
    Ein Campingkocher, ein Dreibein für Bechergläser aus einem Chemielabor und ein alter Milchtopf, in dem gelber Kalk schichtweise abblätterte, dienten ihr als Küchenhelfer. Glücklicherweise kam Camilla mit den Provisorien bestens zurecht.
    Langsam lichtete sich der dichte Kokon um ihren Verstand. All ihre Gedanken drehten sich um Theresa, erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, dass sie ihre Freundin verloren hatte.
    Wie die Mielkes reagieren würden, wenn sie vom Tod ihrer Tochter erfuhren, wollte sie sich nicht vorstellen.
    Sie musste sich beiden Familien stellen, erklären und Fragen beantworten. Ihre Freunde würden sie anders behandeln. Die Sicht der Dinge verschob sich, wenn ein vertrauter und geliebter Mensch verschwand. Wenn sie nach Frankfurt zurückkam, würde sie vielleicht in gewohnter Umgebung sein, aber jeder Ort würde ein anderes Gefühl vermitteln, weil Theresa in dem Gesamtbild fehlte. Sie fürchtete sich vor der Heimkehr. Ihr Herz füllte sich mit Trauer. Sie litt mit den Personen, die Theresa liebten. Wie sollte sie diesen Menschen entgegentreten? Es würde zu einer Tortur werden, die sich in nichts von einem gewaltsamen Tod unterschied. Sie tat genauso weh und würde nie enden.
    Sie rieb sich die Oberarme. Kalt war es in Chris’ provisorischer Küche nicht, aber sie fühlte, wie ihre Seele zu Eis gefror.
    »Geht es?«
    Camilla hörte Christoph näher kommen. Sie drehte sich zu ihm um, als er sich unter dem Türsturz hindurchduckte und zu ihr trat. Zwischen seinen Lippen hing eine neue Zigarette. Sie zitterte, angezündet hatte er sie noch nicht.
    Camilla griff nach einem Einwegfeuerzeug, das neben dem Campingkocher lag, und gab ihm Feuer.
    Er sog den Rauch ein und hielt ihn einige Sekunden in den Lungen, bevor er ihn ausstieß. »Danke«, sagte er und blickte in den Milchtopf.
    »Kocht noch nicht.«
    Er nickte. »Du hast dich gut im Griff.«
    Camilla senkte den Blick. Seine Art, sie anzusehen, gab ihr das Gefühl, psychologisch seziert zu werden. Offensichtlich reagierte sie nicht, wie er es sich vorstellte.
    »Was soll ich tun?« Ihr Tonfall klang schärfer als beabsichtigt.
    Er kam noch etwas näher. »Mir sagen, was in dir vor sich geht, damit du die Last in deinem Herzen nicht mehr mit dir herumschleppen musst?«, schlug Chris vor. »Im Moment habe ich den Eindruck, dass du dich selbst mit deinen Schuldgefühlen behinderst.«
    »Das sind keine, oder zumindest noch keine.«
    »Aber?« Er nahm seine Zigarette aus dem Mund und setzte sich auf die Kante des wuchtigen Holztisches.
    »Ich habe Angst, nach Hause zu gehen. Theresa und ich waren sehr enge Freundinnen.« Sie sackte mit dem Rücken gegen den Bauernschrank. »Plötzlich merke ich, dass ich nichts mehr mit ihr erleben kann. Frankfurt wird anders aussehen und unsere Freunde werden mich betrachten, als wäre ich ihre Mörderin.« Sie strich sich durchs Haar. »Davon abgesehen habe ich das Gefühl, als würde alles, was sie betrifft, bedeutungslos,

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