Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
sie ihn ansah, verriet, dass Chris ihr wohl schon einmal Möbel kaputt gemacht hatte. Sie musste lächeln.
»Möchtet ihr etwas trinken?«
Camilla hatte zwar immer noch Durst, aber zugleich brannte sie darauf, alles über Theresa und den Sandmann zu erfahren. Deshalb schüttelte sie den Kopf.
»Wenn du Wasser für uns hast?«, fragte Chris.
Olympia nickte und verließ den Raum.
»Musste das sein?« Camilla schluckte Enttäuschung. »Ich will immer noch alles wissen.«
»Wenn sie einmal redet, willst du sicher keine Unterbrechungen haben, wenn du es vor Durst nicht mehr aushältst, oder?«
Dem konnte sie kaum widersprechen. »Schon wahr.«
Chris lächelte sie an, während er sich mit den Ellenbogen auf die polierte Holzplatte stützte. Der Tisch kippte ihm entgegen. Sofort setzte er sich gerade hin. Anscheinend fürchtete er Olympias Zorn. Camilla verzog strafend die Lippen, lachte dann aber. »Spinner!«
Er wollte etwas sagen, grinste aber nur.
Olympia kam zurück, stellte eine Kristallkaraffe von einem Tablett auf die Spitzendecke und verteilte drei dazu passende Gläser. Nachdem sie eingeschenkt hatte, setzte sie sich. Ohne dass Camilla etwas sagen musste, wandte sich Olympia an sie.
»Du hast von Chris erfahren, dass ich die Seele deiner Freundin in mir trage«, vermutete sie mit einem kurzen Seitenblick zu ihm.
»Du bist nicht Theresa, und doch habe ich das Gefühl, als wäre etwas von ihr in dir.« Anders konnte sie ihre Eindrücke nicht in Worte fassen. Schmerz brannte in ihrer Kehle. Sie wollte das alles noch immer nicht glauben.
Olympia nickte. »Du hast es genau beschrieben«, sagte sie. »Theresas Seele ist nicht so präsent, dass sie meinen Körper übernimmt. Dazu ist mein Bewusstsein zu stark, Camilla. Aber sie ist da. Ihre Erinnerungen sind nun ein Teil der meinen.«
Ihr entging nicht, dass Olympia ihren Namen nannte, ohne dass sie sich ihr vorgestellt hatte.
»Du meinst, du greifst auf Theresas Wissen zu«, mutmaßte Camilla, um besser zu verstehen.
»Ja. Deswegen ist auch dieses liebevolle Gefühl für dich in mir«, bestätigte Olympia.
Camilla lächelte verlegen. »Freunde seit unserer Kleinkinderzeit«, sagte sie leise.
Olympia nickte. »Und mehr noch. Verschwörer gegen alle anderen und Vertraute bis in den Tod.«
Diese Worte, auch wenn Olympia sie sagte, stachen wie Dolche in Camillas Herz. Eine warme, schwere Hand schob sich unter ihre Locken in den Nacken. Chris’ Berührung war zärtlich.
Dankbar sah sie zu ihm. Sein Blick verriet, dass er sich um sie sorgte, aber zugleich auch außerhalb des Gespräches zwischen Olympia und ihr stand.
»Wie konnte das mit Theresa geschehen?«
Olympia zögerte.
»Ich hatte dir ja gesagt, dass sie entführt wurde«, begann Chris.
Camilla nickte. »Grimm, richtig?«
»Ja«, führte Olympia Chris’ Worte fort. »Er fing Theresa ab, als sie aus der Klinik floh.«
»Also ist sie tatsächlich weggelaufen?« Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit und fachte Wut an.
Olympia nickte. »Sie hatte solch große Angst, dass sie dich sogar zurückgelassen hat.«
»Angst?« Camilla spie das Wort fast aus. »Und ich? Glaubte sie denn, dass ich nicht auch Angst hatte? Grimm hat mich bei der Vernehmung mit seinen unheimlichen Kräften fast umgebracht!« Tränen schossen in ihre Augen. Wie konnte Theresa so selbstsüchtig sein?
Chris erhob sich und ging neben ihr in die Hocke. Sie wich seinen Blicken aus. Mit sanfter Gewalt zog er sie zu sich.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn anzusehen.
Seine großen Augen drückten Mitgefühl und Wärme aus. Zärtlich nahm er ihre Hände in seine. In der kurzen Zeit hatte sich zwischen ihnen ein Band entwickelt, das bereits jetzt stärker wirkte als die Freundschaft zu Theresa. Wie konnte das nur sein?
»Sie hat mitbekommen, was in dir vor sich ging. Bis zu diesem Moment war sie sich sicher, dass du niemals Angst empfinden würdest. Für sie warst du immer der Schutz, die Stärkere, an der sie sich festklammern konnte«, erklärte Olympia.
Camilla schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht stark.«
Chris und Olympia lachten fast gleichzeitig auf. Camilla wusste nicht, wessen Blick sie erwidern sollte, flüchtete sich dann zu Chris.
»Du bist über zwölf Stunden durch die Labyrinthe geirrt und mehrfach dem Sandmann und seinem Handlanger entkommen. Du hast die Leiche gefunden und bist Amadeos Stimme gefolgt.«
»Das nennt sich Überlebensinstinkt«, gab sie bissig zurück.
»Oder schlicht innere
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