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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
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Bild erinnerte an Filme aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Camilla verglich die Szenerie mit dem zerbombten Wien aus Der dritte Mann . Teile des Gebäudes lagen wie Geröllbrocken im Weg.
    »Hier ist der Boden besonders locker, oder?«
    Chris schüttelte den Kopf. »Das waren die Erschütterungen der U-Bahn. Der Boden aus Sand und Gestein kann die alten Bauten nicht mehr tragen. Dann passiert so etwas.«
    Beiläufig ergriff er ein Stück Holz, das wie der Stift aus einem Fachwerk-Verbund aussah, schwang ihn mehrfach in der Luft und warf ihn enttäuscht von sich. »Morsch.«
    Camilla nickte. Sie ging in die Knie und nahm einige Brocken Lehm und Steine auf, um sie in ihre Jackentaschen zu stecken. Auf Chris’ fragenden Blick hin sagte sie leise: »Munition.«
    Er lächelte. »Gar nicht dumm, meine Kleine.«
    »Ich weiß, dass ich nicht dumm bin, Spinner!« Sie grub in dem Schutt und zog einen vielleicht zwanzig Zentimeter langen Eisennagel heraus. Kommentarlos reichte sie ihn an Chris weiter.
    »Das wollte ich damit auch nicht sagen, Liebes«, sagte er leise und ging neben ihr in die Knie. »Ich …«
    Camilla drehte sich zu ihm um und küsste ihn. »Klappe, okay?« Sie lächelte, als sie sich von ihm löste.
    Chris nickte. Er suchte sich selbst noch einige Nägel und Steine, bevor er sich hinter ihr erhob.
    Camilla sah zu ihm auf. »Ich kann mich vielleicht körperlich gegen ihn wehren, aber wie weise ich seinen Geist ab?«, fragte sie, während sie sich ebenfalls aufrichtete. In ihrer Hand lag ein langer, dolchartiger Metallsplitter, der sie in seiner Beschaffenheit vage an den antiken Silberspiegel im Hausflur ihrer Eltern erinnerte. »Wie hast du dich damals gegen seine Attacken gewehrt?«
    Chris zuckte mit den Schultern. »Er konnte von mir nichts über die Geheimnisse von Olympia oder Amadeo herausbekommen«, erklärte er. »Ich habe versucht, an nichts zu denken. Das Einzige, worauf ich mich konzentriert habe, waren die Schmerzen, die er mir bereitete. Sie erfüllten mein ganzes Bewusstsein. Vielleicht hat sich das auf ihn zurückreflektiert. Irgendwann konnte ich seinen Geist ertragen.«
    Camilla betrachtete nachdenklich die Scherbe in ihren Händen. »Möglicherweise ist das die Lösung. Wenn er ein Echo seiner Taten erhält, müsste er die gleichen Qualen erleiden, oder irre ich mich?«
    »Vielleicht.« Chris kratzte sich am Kinn. »Wahrscheinlich hast du recht.« Er überstieg den Schutthaufen und trat an die Hauswand heran.
    Camilla kletterte hinter ihm durch das Fenster in der ersten Etage und erschrak, als ihr Fuß keinen festen Halt auf dem Fußboden des finsteren Raumes fand. Chris griff um ihre Taille und hob sie hinein.
    Sie konnte beim besten Willen nicht sehen, wo sie Grund unter sich hatte und wo nicht. Chris’ Augen mussten erheblich besser in der Dunkelheit funktionieren. »Danke«, flüsterte sie.
    »Kein Problem.«
    »Wohin?« Camilla versuchte, etwas zu erkennen, machte aber nur schwarze Schatten in noch größerer Finsternis aus. Enttäuscht seufzte sie. »Ich bin total blind hier!«
    »Schlecht«, entgegnete Chris und ließ sein Feuerzeug aufflammen. »Halte dich dicht hinter mir und tritt am besten an die gleichen Stellen auf dem Boden, in Ordnung?«
    Camilla nickte. »Du kennst dich hier gut aus.«
    »Als ich klein war, bin ich hier manchmal herumgeklettert. Das setzte allerdings abends immer massive Prügel.« Chris testete mit seiner Stiefelspitze vorsichtig den Boden auf seine Belastbarkeit.
    »Verständlich. Das hier ist absoluter Bruch, oder?« Sie folgte ihm langsam, Schritt um Schritt. Einige Male mussten sie einen weiten Bogen in Kauf nehmen, Löcher umgehen oder Dielen, die nicht mehr tragfähig waren. Der Raum maß vielleicht zwanzig Quadratmeter, war aber durch Stützpfeiler und entkerntes Fachwerk unterteilt. Auch hier lag Schutt auf dem Boden. An manchen Stellen hatte sich die Decke so weit abgesenkt, dass sie sicher weniger als einen Meter lichter Höhe zur Verfügung hatten. An anderen Stellen erhob sich das Gebälk über zweieinhalb Meter oder Teile der Decke fehlten. Sie konnte sogar bis in den eingedrückten Spitzboden hineinsehen. Dachstreben und Stroh lagen herum. Camilla hatte fast Mitleid mit dem alten Haus. Durch den Beruf ihres Vaters hatte sie einen engen Bezug zu Gebäuden. Für sie lebten alte Bauten durch all die Menschen, die in ihnen lebten, liebten und starben. Alle Erinnerungen und Träume hafteten den Wänden an, bis ein Haus abgerissen wurde. Bei

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