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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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Scharlach,
Feuchtblattern, Maul- und Klauenseuche, irgendwas mit vielen ekeligen Flecken
oder Schaum vor dem Mund, mit hohem Fieber und akuter Ansteckungsgefahr bei
Sichtkontakt.
    Er hatte
nicht nur keine Lust auf sie, er konnte sich auch nicht vorstellen, eine solche
zu entwickeln. Es fehlte ihm die erforderliche Lust auf Lust auf sie. Denn zur
Lust auf Lust gehörten vermutlich Gefühle. Die waren nicht vorhanden.
    Ein
Alternativprogramm zum Lustprogramm stand aber nicht zur Diskussion. Natalies
telefonische Vorworte des Treffens waren »Ich will dich wieder« gewesen. Dazu
noch ein hübsches Wortspiel über den Ort des Geschehens: »Diesmal komm ich bei
dir.« Max hätte vermutlich »Ich mag es, wenn du so direkt bist, Baby« erwidern
müssen. Dazu hätte er sich vorher noch eine Schachtel Sägespäne in die Kehle
schütten müssen. Aber er blieb bei seiner natürlichen Stimme. Und er schaffte
gerade noch: »Dann komm!«
    Da war sie
also. »Ich kann nicht lange bleiben, darum bin ich früher da«, erklärte sie in
zur Perfektion gebrachter jugendlicher Abgeklärtheit, kniff die Augen zusammen
und brachte ihre unruhigen zarten Hände am Kragen ihrer gepolsterten
Lederjacke in Stellung, scheinbar um diese ruckartig zu öffnen. Wahrscheinlich
hatte sie darunter nichts an. Das waren zwar Männerphantasien, aber bei Natalie
musste man mit solchen Dingen rechnen.
    Edgar, der
Anglistikprofessor, habe am späten Abend überraschend Zeit, erklärte sie:
deshalb ihre Eile. »Ich werde aber nicht mit ihm schlafen, der wird Augen
machen«, verriet sie Max und kniff die Augen in besonders kurzen Intervallen
zusammen. Um ihre Edgar-Verweigerung durchzustehen und dem Professor nicht gar
so ausgehungert gegenüberzutreten, nahm sie den Abstecher bei Max. Das hatte
zwar relativ wenig mit einer Romanze zu tun. Aber damit beruhigte er sein
Gewissen. Sein Motiv, sie kommen zu lassen, war auch nicht edler.
    Er wollte
üben. Er wollte es noch einmal probieren. Er wollte schauen, ob es ihm ein
zweites Mal gelingen würde, heil über die Runden zu kommen. Er hatte eine gute
Unterlage (Stachelbeerkuchen und Kaffee), er war mental in guter Verfassung,
er konnte eine volle Sekunde an die fette Sissi denken, ohne den geringsten
Brechreiz zu verspüren. Es herrschten also günstige Laborbedingungen.
    Seit dem
gelungenen Abenteuer mit Natalie vor zwei Tagen war Max euphorisch. Sein
Sexualleben war im Begriff, sich zu verändern, das heißt: Es war im Begriff zu
beginnen. Er wollte nicht unbescheiden sein: Ob er selbst dabei etwas
empfand, war ihm egal. Aber allein die Vorstellung faszinierte ihn, dass er
mit einer Frau ganz normalen Sex mit ganz normalen Zungenküssen haben konnte,
dass er in der Lage war, sie auf konventionelle Weise zu befriedigen und ihre
Lust zu stillen. Jetzt war er 34. Gar nicht so schlimm. Da gab es noch einige
Jahre bis zum Ruhestand. Da war vielleicht sogar noch eine dauerhafte
Lebensgemeinschaft möglich, eine Art Ehe, oder: warum nicht gleich eine Ehe,
mit einem Kind oder zwei - und ohne Hund natürlich.
    »Wo?«,
fragte Natalie. Für »... tun wir es« war ihr die Zeit zu schade. Als Antwort
sprang ihr die orangerote Ledercouch in die halb zugekniffenen Augen. Sekunden
später saßen sie dort übereinander. Unter ihrer Steppjacke befand sich übrigens
doch noch ein Kleidungsstück - ein ausgewaschenes schwarzes T-Shirt. Dem
Anglistikprofessor konnte sie so etwas nicht vorsetzen, aber für Max reichte
es. Sie nahm hastig die nächstbeste seiner Hände und schob sie unter ihr Shirt.
Dazu machte sie ein konstruiertes Geräusch mit vielen »A«, wie eine Puppe, die
auf Berührung reagierte. Die Haut griff sich angenehm warm an, fühlte Max. Da
war nur das Problem: Er hatte keine Lust, je schneller Natalie es vorantrieb,
umso eindeutiger - absolut keine Lust.
    Sie
öffnete sein Hemd. Er dachte, es wäre langsam an der Zeit, die Sache
abzubrechen. Aber Natalie war zu beschäftigt. Er konnte sie nicht stören.
Außerdem hätte sie ihn ohnehin nicht verstanden. Sie war bereits in einem ihm
unbekannten Reich der Sinne und hielt dort erotische Monologe aus der Sekundär-
bis Tertiär- bis Pornö-Literatur: »Weißt du, was ich gleich mit dir machen
werde?« (Sie erwartete keine Antwort.) »Ich werde xxxxx nehmen und xxxx
stecken.« - Und einiges mehr.
    Dabei
griff sie ihm zunächst auf, dann zwischen und schließlich unter die beiden
Hosen. Jetzt musste auch sie langsam merken: Er hatte absolut keine Lust. Aber
das

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