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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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du
hattest einen erholsamen, entspannenden, befriedigenden Abend.« Diesen Satz
löschte sie - und tippte ihn gleich darauf noch einmal ein. (So schlecht war
er nicht.) Dann folgte: »Wenn du morgen einen ungestörten Sonntag verbringen
willst, um eventuell auch wieder deiner unproblematischen sexuellen Beziehung
zu frönen, kannst du mir Kurt vorbeibringen. Der Hund hat ohnehin zu wenig
Auslauf. Außerdem - warum muss er sich das dauernd anhören? Gruß, Katrin.« Den
Nebensatz mit der sexuellen Beziehung und den Fragesatz löschte sie - unwiderruflich.
    Danach
rief sie ihn an. Sie wollte ihm nur mitteilen, dass sie ihm eine Nachricht
geschickt habe. Und sie wollte ihn bei dieser Gelegenheit fragen, was er am
Abend vorhabe. Sollte er noch nichts geplant haben, würde sie sagen:
    »Schade,
ich bin am Abend leider mit Freunden unterwegs. Aber vielleicht ein anderes
Mal.« Hatte er schon etwas vor, würde sie ihn danach fragen. Nein, das würde
sie nicht machen. Oh doch, das würde sie machen.
    Und würde
er sagen, er erwarte Besuch, und würde auch nur irgendwie versteckt anklingen,
dass es sich um einen sexuellen Besuch der unproblematischen Art handle, würde
sie ihm »leider etwas Unangenehmes« mitteilen müssen: »Lieber Max. Ich kann
Kurt zu Weihnachten nicht nehmen. Es ist mir etwas dazwischengekommen: ein
uralter Freund aus Amerika, meine große Jugendliebe, der ist jetzt plötzlich da,
und er wird über Weihnachten bei mir wohnen und da wollen wir von einem Hund
natürlich nicht gestört werden, wir haben ja viel nachzuholen, das wirst du
verstehen.« Etwas in dieser Art wollte sie ihm sagen. Und dann würde sie noch
anfügen: »Aber vielleicht ist ja diese sexuell unproblematische Frau, von der
du erzählt hast, so nett und kann sich um den Hund kümmern. Oder wäre das der
unproblematischen sexuellen Beziehung abträglich? Das hoffe ich doch nicht«,
würde sie sagen.
    Zu dem
Gespräch kam es leider nicht. Er hob nicht ab. Er schien zu wissen, dass es
klug war, nicht daheim zu sein. Katrin sprach ihm aufs Band: »Hallo, hier
Katrin. Ich hab dir eine E-Mail geschickt. Ich wünsche dir einen schönen
Abend.« Danach ärgerte sie sich. Ihre Worte waren von einer geradezu
unterwürfigen Harmlosigkeit.
     
    Am Abend
war Katrin bei Franziska »Nichts-ohne-meine-Töchter«-Huber eingeladen. Die wog
jetzt 110 Kilo, davon je 15 Kilo an ihren beiden Brüsten, wenn auch erstaunlicherweise
nicht mehr saugend: Leni und Pipa. Franziska war Katrins beste Freundin. Die
Freundschaft war so gut, dass sie die letzten drei fruchtlosen Jahre
(beziehungsweise fruchtbringenden, je nachdem, wie man es sah) hatte überstehen
können. So lange stand die Freundschaft nun schon unter Zwillingsgeburtenschock.
    Ursprünglich
wollten sie ins Kino gehen, aber das ging dann doch nicht, wegen Leni und Pipa.
Nichts ging mehr wegen Leni und Pipa und schien etwas zu gehen, so ging es dann
doch nicht wegen Leni und Pipa. Dabei wäre Eric beinahe allein bei den Kindern daheimgeblieben.
Doch buchstäblich in letzter Sekunde war ihm - zu Franziskas Erleichterung -
eine Praktikanteneinschulung dazwischengekommen. Seit der Geburt seiner
Töchter hatte sich die Zahl der abendlichen Praktikanteneinschulungen dramatisch
erhöht. Möglicherweise war es Franziska, die diese Schulungen in geheimer
Absprache mit seinem Chef organisierte.
    Sie konnte
mit Eric zu Hause nichts anfangen. Er war noch nicht reif für Leni und Pipa.
Bei ihm spannten sich die Gesichtsmuskeln, wenn die Töchter im bewussten und
gewollten Zusammenwirken nicht daran dachten, die Phon-Stärke ihres
Presslufthammer-/Sirenen-Getöses noch vor Mitternacht des jeweiligen Abends zu
senken. Außerdem wischte er ihnen mit einem an seine zittrigen Vater-Finger
angewachsenen feuchten Tuch jede Stunde zwanghaft Mund und Hände ab und
spekulierte mit geregelten Schlafensgehzeiten. Und schließlich begann er jüngst
in unangenehm unterschwelliger Weise auf Franziska einzudringen, sie könnten
doch wieder einmal miteinander schlafen, und das bereits drei Jahre nach der
Geburt. Er verstand nichts von Müttern und Kindern.
     
    Mit
Franziska war eine extreme Wandlung vor sich gegangen. Sie war früher nicht
nur anders, sie war eine andere, eine gegenteilige Person gewesen. Sie hatte
die sexuelle Freiheit gepredigt und zelebriert und sich dabei jede Woche aufs
Neue gebunden. Nach zwei, drei Tagen war der Höhepunkt ihrer Verliebtheit
erreicht gewesen. Am vierten Tag hatte sie vom Heiraten gesprochen,

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