Glattauer, Daniel
am fünften
Tag war ihr die Sache »langsam ein bisschen zu eng« geworden. Am sechsten Tag
hatte sie eine Beziehungspause gebraucht. Am siebenten Tag den Neuen kennen
gelernt. Sie hatte natürlich niemals unter gescheiterten Beziehungen gelitten.
Das Kommen und Gehen von Männern hatte auf natürliche Weise ihre
Blutzirkulation angeregt und für einen gesunden Hormonhaushalt gesorgt.
Katrin
sparte sich damals die Enttäuschung der Lektüre eintöniger Liebesromane.
Franziskas Geschichten waren niemals langweilig, oftmals sogar anregend. Und
sie gingen für sie auf erstaunliche Weise immer gut aus. Zumeist war das Ende
selbst das Gute daran. Katrin beneidete Franziska um die Fähigkeit, das
»Ernsthafte« an einer Beziehung gar nicht erst zuzulassen. Somit waren selbst
die leichtfertigsten ihrer Männer noch immer ernsthafter als sie selbst.
Als ihre
beste Freundin und erste Ansprechstation musste Katrin in Franzis wildesten
Zeiten vorübergehend einen Parteienverkehr mit Seelsorge und Nachbetreuung für
stehen gelassene Opfer einrichten. Da lernte sie Männer von ihrer demutsvollen
Seite kennen und gering schätzen. Bei manchen war sogar eine Art emotioneller
Tiefgang zu bemerken, der sich dann aber doch rasch als pures Selbstmitleid
entpuppte.
Einige
waren willens, sich wegen Franzi das Leben zu nehmen und hatten panische Angst,
in den Nächten nach der Trennung alleine zu sein. Katrin durchschaute den Trick
allerdings bereits nach der dritten Annäherung eines Stehengelassenen, der bei
ihr im Bett lebensrettenden Trost suchen und Kraft für ein Weiterleben ohne
Franzi tanken wollte.
Eric wäre
eigentlich für Katrin vorgesehen gewesen. »Der ist mir zu schade«, hatte Franzi
gesagt. »Der ist so gewissenhaft. Der wäre mehr etwas für dich.« Er hätte ihr
auch gefallen. Er redete nicht viel, dafür keinen Schwachsinn. Er konnte ihr
nicht nur zuhören, er tat es auch. Überdies sah er ganz gut aus und er schaute
ihr in die Augen, wenn er mit ihr redete. Er hatte weder einen Schleier- noch
einen Röntgenblick, sondern die vom Aussterben bedrohte unpeinliche Mischung
daraus, die Frauen das Gefühl gab, ohne Gegenleistung ernst genommen zu werden
und etwas Besonderes zu sein. Er war auf bescheidene Weise selbstbewusst. Er
hatte nur einen großen Fehler: Er unternahm nichts, um Katrin näherzukommen.
Eric
konnte keine ersten Schritte setzen. Katrin ebenfalls nicht. Das verband sie.
Leider nicht miteinander, sondern mit Franziska. Als Katrin den Entschluss
gefasst hatte, Eric ein Signal zu geben, welches er dahingehend hätte
interpretieren können, dass sie bereit gewesen wäre, auf ein Zeichen von ihm
positiv zu reagieren, sagte ihr Franziska am Telefon: »Eric und ich sind
zusammen. Ich hab ihn mir aufgerissen. Wir müssen einen anderen für dich
suchen.« - »Kein Problem«, erwiderte Katrin. »Er war ohnehin nicht mein Typ.«
Wenn Franziska damals ein Knirschen in der Leitung gehört hatte, so musste es
vom zusammengequetschten Telefonhörer in Katrins Händen hergerührt haben.
Mit Eric
ging es Franziska scheinbar so gut, dass sie sich ein Jahr nicht meldete. Als
Entschädigung durfte Katrin ein weiteres halbes Jahr später ihre Trauzeugin
sein. Die Hochzeit war wie aus dem Film »Vier Hochzeiten und ein Todesfall«.
- Wie der Todesfall. Franziska war unter ihrem Brautkleid lebend begraben und
hatte diese missverständlich oft als »Glück« oder »Harmonie« bezeichnete satte
Zufriedenheit um die Mundwinkel und im Ansatz eines Doppelkinns. Dazu setzte
sie ein ironisches, abgebrüht wirkendes »So-ist-das-Leben«-Lächeln auf, wie es
Menschen tun, die die Dinge laufen lassen, weil es ihnen zu mühsam ist, alles
wieder rückgängig zu machen, weil sie dann zu viel Geschehenes (oder
Passiertes) in Frage stellen müssten. Ausgerechnet Franziska, die keinen Weg
gescheut hatte, um ihrem Begriff von Liebe nachzuspüren, war in eine
emotionelle Sackgasse geraten und errichtete sich nun dort, wo es nicht mehr
weiterging, ein gutbürgerliches Einfamilienhaus.
Eric war
ein Bräutigam, der nicht wusste, wie ihm geschah. Er freute sich einerseits
rührend für seine Großfamilie, die mit Franziska einen weiteren Volltreffer
gelandet hatte. Andererseits suchte er wehmütig Kontakt zu seinen Freunden
aus der Baseball-Mannschaft, als fürchtete er nichts mehr, als mit dem Jawort
und dessen Nachfolgeerscheinungen seinen Platz im Team (und in der
Gesellschaft überhaupt) zu verlieren.
Die
Festgäste bemühten sich
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