Glatze mit Sommersprossen
setzte mich auf besagte Bank, während Pinsel ausgelassen herumtobte. Vom Hauptportal sahen manchmal bis zu vier Schwestern in unsere Richtung. Man schien ihnen gar schlimme Dinge über uns erzählt zu haben, denn immer, wenn ich ihnen zunickte, traten sie erschrocken einen Meter zurück.
Endlich, um 11.42 Uhr, kam ein hageres Männchen auf mich zugetippelt.
„Sie wollen mich sprechen?“ Die Stimme paßte zu seinem tieftraurigen Gesicht.
Ich erhob mich, streckte ihm meine Meisterdetektivrechte entgegen und fragte: „Herr Pröbel?“
Er nickte mit Begräbnismiene.
„Fein, und ich bin Balduin Pfiff, ein Detektiv!“
Also zusammengezuckt ist er nicht. Er sagte nur:
„Aaaaaach, ein Detektiv...“
„Ich bearbeite den Fall der toten Fliegen.“
Seine traurigen Augen blieben auf der Stelle stehen.
„T... T... T... Tote Fliegen???“
„Sagt Ihnen das nichts?“
„Gar nichts.“
„Sie wissen auch nicht, daß Ihr Schwager eine Fliegenallergie hat?“
Jetzt kam eine Handvoll Leben in das jammervolle Gesicht. „Aber natürlich weiß ich das. Ganz albern stellt er sich damit an!“
Ich beugte mich zu ihm hin, blinzelte vielsagend und knurrte mit monotoner Stimme: „Sie stehen im Verdacht, Emilio Mausgrau, Ihren Schwager und Kompagnon, seit zwei Wochen mit toten Fliegen zu bombardieren.“
„Ich w... w... werd’ verrückt... verrückt. .stotterte Otto Pröbel und griff sich ans Herz.
Unbarmherzig fuhr ich fort: „Sie könnten es zum Beispiel gewesen sein, der zu nächtlicher Stunde das Sauerkraut im Würstchenstand versaut hat.“
Otto Pröbel reckte sein mageres Figürchen und zeterte gar nicht mehr traurig: „Das ist eine böse Verleumdung. Hat das mein Schwager behauptet?“
„Der läßt die Sache nur untersuchen.“
„Warum sollte ich so was tun, Herr Pfiff? Es ist doch auch mein Eigentum! Und wer bricht schon eine Tür auf, wenn er einen Schlüssel dazu hat?!“
„Hm, das ist Wahrheit... Wie stehen Sie zu Ihrem Schwager?“
„Wir sind verschiedener Ansicht. Ich möchte gern vergrößern, er will es nicht. Ich möchte einen großen Grillautomaten kaufen, er will es nicht…“ Während Otto der Kleine das sagte, blitzten seine Augen böse. Und dann schnauzte er mich sogar richtiggehend an: „Ich habe damit und Ihren toten Fliegen nichts zu tun. Und jetzt muß ich zum Mittagessen!“
Und dann, ei der Daus samt Däuschen, ließ mich der zierliche, mickrige, hagere, traurige Otto einfach stehen, um essen zu gehen. Wenn er mir wenigstens verraten hätte, was es heute gab...
15.10 Uhr liefen Pinsel und ich bereits unser zweites Ziel an. Als ich klingelte, knurrte Pinsel. „Schnauze!" schimpfte ich nach unten. „Hier kommt eine Dame, und da bist du gefälligst ruhig!“
Frau Pröbel öffnete mit lachendem Mund und zwei Dutzend Lockenwicklern im Haar. Doch sie schien jemand anders erwartet zu haben, denn das Lachen fiel ihr von einem Atemzug zum anderen aus dem Gesicht.
„Habe ich das Vergnügen, mit Frau Pröbel zu sprechen?“
Die Lockenwickler wippten im Rhythmus der Zustimmung.
„Bin ich. Und wer sind Sie?“
„Ich bin Privatdetektiv Balduin Pfiff, arbeite für Ihren Bruder und müßte Sie dringend sprechen.“
Mit steiler Falte zwischen den Augen trat sie zur Seite und stieß ein eisgekühltes „Bitte!“ hervor.
Es roch nach Flieder, Frühlingssuppe und frischgebackenem Zitronenkuchen. Sie führte mich in ein Arbeitszimmer und ließ sich auf den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch fallen. Einem Schreibtisch, der vollgebaut war mit den unterschiedlichsten Wurfgeschossen. Ich entdeckte zwei Briefbeschwerer, zwei Locher, eine ausgewachsene Heftmaschine, einen gußeisernen Halter für Klebebänder, dazu Scheren, Brieföffner, eine Uhr, eine Flasche mit Leim und einen Kassettenrecorder. Ich setzte mich so, daß ich die Tür mit zwei fröhlichen Schritten erreichen konnte.
„Was ist das für eine Rasse?“ wollte sie wissen, während sie mit dem Kinn zu Pinsel hinruckte.
„Das ist ein echter Mischling mit mehreren Stammbäumen!“ antwortete ich. Eigentlich hatte ich ihr noch was von den Bäumen erzählen wollen, aber sie war schon eine Straße weiter:
„Was ist mit Emilio?“
„Wir suchen den Fliegentöter und Täter.“
„Heee???“
„Wir-su-chen-den-Flie-gen-trans-por-teur!“ wiederholte ich in Zeitlupe und mit Betonung.
„Ich verstehe kein Wort!“ konterte sie tiefgefroren.
„Ein unfreundlicher Absender überhäuft Ihren Bruder mit toten
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