Glaub an die Liebe, Kit
sich, der nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Lachen aufwies.
„Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist. Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Trotzdem bin ich froh, dass du mir die Chance gegeben hast, dir alles zu erklären. Auch wenn du mir mein Verhalten nicht verzeihen kannst, ich wollte auf jeden Fall, dass du über Alnburgh Bescheid weißt.“ Sie stand auf. „Wir wollen Sophie nicht wecken. Gegen wir nach unten. Ich möchte dir eine Kopie von Leos Testament geben. Darin sind alle Details, die das Schloss betreffen, geregelt.“
Auch Kit erhob sich, ging jedoch erst zu dem Sofa und der schlafenden Sophie. In den vergangenen Wochen war sein Leben so vielen Stürmen ausgesetzt gewesen, dass sie zu seinem festen Punkt, seinem Ruhepol geworden war. Sie war das Einzige, was wahr und gut und schön war, aber …
Er zwang sich, den Blick abzuwenden und seiner Mutter zu folgen. Das Schloss interessierte ihn im Augenblick weniger. Es gab wichtigere Dinge, zu denen er dringend Informationen brauchte.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, setzte Juliet ihren Bericht fort. „Die Krankheit deines Vaters verlief äußerst brutal.“ Juliet führte ihn in ein karg möbliertes Schlafzimmer. Aus der oberen Schublade einer Kommode holte sie einen Stapel Fotografien. „Dabei war er immer ein so starker und kräftiger Mann.“
Das oberste Bild zeige Leo Fitzroy in voller Kampfmontur. Im Hintergrund war eine namenlose Wüste zu sehen. Fast meinte Kit, die Hitze zu spüren. Gleich würde sein Vater sich umdrehen und seinen Männern Befehle erteilen.
„Du bist ihm so ähnlich.“
Und das stimmte. Selbst Kit hegte nicht den geringsten Zweifel daran, während er das Foto anschaute. Auf dem nächsten Bild war Leo in Zivil zu sehen, einen Arm hatte er um Juliet gelegt. Sie saßen an einem Tisch eines kleinen Straßencafés, vor ihnen standen Gläser mit Pernod. Einige Postkarten lagen daneben. Genauso hatte er seine Mutter in Erinnerung, jung und lachend. Die Mutter, die Leo ihm weggenommen hatte.
„Marbella“, sagte sie leise. „Ich habe dir eine Karte geschrieben.“
Und so ging es weiter. Bilder eines dünner werdenden Leos vor der Villa Luana, eines auf der Dachterrasse mit einem Gin Tonic in der Hand, schließlich eines im Rollstuhl.
Kits Hände zitterten, als er das letzte Foto anschaute. Die Nahaufnahme des bis auf die Knochen abgemagerten Leo, wie er an einen Berg aus Kissen lehnte. Ein Atemschlauch steckte bereits in seiner Luftröhre. Seine Wangen wirkten eingefallen, die Hände, die er schon lange nicht mehr bewegen konnte, ruhten neben ihm auf der Decke.
„Die Krankheit hat seinen Körper nach und nach völlig gelähmt“, sagte Juliet rau. „Aber im Innern blieb er derselbe Mann, den ich geliebt habe.“
Kit starrte in die Augen des Mannes auf dem Foto. Sein Vater. Sein Gesicht wirkte völlig ausdruckslos, nur seine Augen blickten hell und lebendig und voller Liebe in die Kamera.
„Für mich war das am grausamsten. Aber es war auch das Schönste. Und obwohl der Preis, den ich bezahlt habe, so hoch war …“ Sie schwieg einen Moment und presste eine Hand an die Lippen. „Jeder Tag, den wir zusammen erleben durften, erschien mir wie ein Geschenk.“
Kit reichte ihr die Fotos. Er empfand dasselbe Gefühl wie nach einer Explosion – wenn aller Sauerstoff in der Luft verbrannt war und sich die Lungen mit Staub füllten. Ihm war, als würde ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Schultern lasten.
„Diese Krankheit …“, setzte er an.
„Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS.“
„Ist sie erblich?“
Ihm kam es so vor, als würde seine Mutter eine sehr lange Zeit schweigen, während sie nach etwas in den Schubladen einer Kommode suchte. „Nur in sehr seltenen Fällen“, erwiderte Juliet schließlich.
Das Blut rauschte sehr laut in seinen Ohren. „Was soll das heißen?“
„Der Arzt hat uns gesagt, die Wahrscheinlichkeit, dass ALS vererbt wird, liegt bei zehn Prozent. Hier …“ Sie reichte ihm einen großen Umschlag und ein kleines, mit Samt bezogenes Kästchen. Ohne wirklich etwas zu sehen, starrte Kit auf die Gegenstände.
Zehn Prozent. Einer von zehn Fällen …
„Das ist Leos Testament“, drängte Juliet. „Und darin …“ Sie deutete auf das Kästchen. „… befindet sich der Dark Star , der Familienring der Fitzroys. Mir ist aufgefallen, dass Sophie keinen Verlobungsring trägt.“
Eine unheilvolle Stimme riet ihm, das Schmuckstück nicht anzunehmen. Ihn Sophie zu
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