Glaub an die Liebe, Kit
absichtlich dorthin, außer Hörweite, gegangen sein. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, sein Körper jedoch wirkte angespannt, als rechne er jederzeit mit einem Kampf.
Ihr fiel ein, wie sie ihm einmal anvertraut hatte, dass sie sich einen Mann wünschte, der bereit war, um sie zu kämpfen. Und das hatte er getan. Als die Umstände und Missverständnisse ihr Schicksal beinahe besiegelt hatten, hatte er seine eigene Meinung und die Vorurteile der anderen hinterfragt, hatte sich auf die Suche nach ihr gemacht und um sie gekämpft.
Würde er das noch einmal tun?
Es gab eine Sache, die Sophie von ihrer freigeistigen Mutter gelernt hatte: Liebe ließ sich nicht erzwingen. Und einsperren konnte man sie auch nicht. Wenn Kit und sie zusammenblieben, wenn sie das neue Leben, das ihm so unverhofft auferlegt worden war, mit ihm teilen sollte, dann nur, weil er sie an seiner Seite wollte – nicht weil er sich einem Versprechen verpflichtet fühlte, das er unter völlig anderen Voraussetzungen gemacht hatte.
Völlig kampflos würde sie ihn nicht aufgeben, aber sie musste ihm den nötigen Freiraum gewähren, mit der neuen Situation zurechtzukommen.
Hastig kritzelte sie eine Nachricht auf ein Blatt Papier. Dann schlüpfte sie in Kleid und Sandaletten, griff nach ihrer Handtasche und schlich leise aus dem Zimmer.
„Was bedeutet das? Dass er wieder völlig gesund wird?“
Die stechenden Schmerzen in seinem Arm verrieten Kit, dass er das Handy zu fest umklammert hielt, während er Randalls Bericht über Lewis’ Genesung lauschte. Doch das Taubheitsgefühl hatte wieder seine Hand erfasst, und er hatte schlicht Angst, das kleine Gerät fallen zu lassen, sobald er seinen Griff lockerte. Er starrte in das unendliche Blau des Himmels über den Dächern der Stadt, doch in Gedanken befand er sich wieder auf dem Flur vor Lewis’ Krankenzimmer.
„Es bedeutet, dass es wahrscheinlich keine bleibenden Schäden an seinem Rückenmark gibt“, erklärte Randall. „Es war verdammt knapp, die Kugel hat den Nervenstrang um Millimeter verfehlt. Natürlich wird es noch eine Weile dauern, bis er wieder auf den Beinen ist, aber im Moment sieht es so aus, als würde dieser Tag tatsächlich kommen.“
„Das sind hervorragende Nachrichten.“
„Ja“, erwiderte der Arzt trocken. „Was ist mit dir, Kit? Ich weiß, dass das keine leichte Mission war.“
„Es geht mir gut“, sagte er knapp. „Ausnahmsweise habe ich einen Schutzanzug getragen, sonst wäre ich nicht mehr hier. Das Visier war hochgeklappt, deshalb habe ich ein paar Schnittwunden im Gesicht abbekommen, aber die verheilen mittlerweile.“
„Freut mich zu hören, aber ich bin nicht sicher, ob du wirklich meine Frage beantwortet hast“, gab sein Freund zurück. „Ich weiß, dass du die Explosion recht unbeschadet überstanden hast. Gemeint habe ich, wie sieht es in deinem Inneren aus?“
„Alles in Ordnung. Mir fehlt nur ein bisschen Schlaf, das ist alles.“ Kit schloss die Augen und verfluchte sich selbst, weil ihn plötzlich der Mut verließ. Er brachte es einfach nicht über sich, die richtigen Fragen zu stellen.
Aber vielleicht spürte Randall auch, dass etwas nicht stimmte, denn er blieb bei dem Thema. „Du hast Schlafprobleme?“
„Ich schlafe nie gut. Aber nach fünf Monaten im Ausland scheint es immer wichtigere Dinge zu geben, die ich im Bett erledigen muss.“
Randall lachte. „In diesem Fall kannst du nur dir selbst die Schuld geben.“
Mehr würde sein Freund nicht dazu sagen. Sein Tonfall verriet, dass er sich nun verabschieden und auflegen wollte. Plötzlich rauschte das Blut laut in Kits Ohren, seine Hände begannen zu schwitzen. Er atmete tief ein.
„Was weißt du über ALS?“
Es herrschte einen Moment Schweigen. „Nun, ich bin kein Spezialist. Möchtest du etwas Bestimmtes wissen?“
„Ja. Wie sehen die ersten Symptome aus?“
„Ich bin mir nicht sicher, Kit. Jeder Fall ist anders, aber meist beginnt es mit einer Muskelschwäche in Händen oder Füßen. Die Fähigkeit zu koordinierten Bewegungen nimmt ab. Warum interessiert dich das?“
Kit ignorierte die Frage. In Gedanken befand er sich wieder unter der Brücke, als er die Drähte der Bombe hatte durchtrennen wollen und ihm die Zange aus den tauben Fingern geglitten war.
„Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?“
„Es existiert keine Heilung, wenn du das meinst“, gestand Randall zögernd. „Mit Medikamenten lässt sich der Krankheitsverlauf verlangsamen, mehr nicht. Aber die
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