Glaub nicht es sei vorbei
Mutter aufspielt.«
»Was ist das?«
»Eine Frau, die im alten Griechenland mit ihrer hässlichen Visage Männer zu Stein verwandelt hat. Ein Exfreund meiner Schwester hat mir das vor Jahren erzählt.«
Der Barkeeper grinste. »Immer hast du solchen Käse auf Lager, Cochran. Du bist ein verdammter Klugscheißer. Vielleicht solltest du's mal in einer Quizshow versuchen. Da kann man sich eine goldene Nase verdienen.«
»Es gibt noch andere Möglichkeiten. Und sag nicht Klugscheißer zu mir. Ich hab im Gefängnis viel gelesen. Sonst gab's ja nichts zu tun, wenn man sich nicht gerade die Annäherungsversuche der Zellengenossen vom Leib halten musste.« Larrys Lippen waren schon ganz taub. Der Schmerz in seinem Bein hatte auch nachgelassen. »Komm schon. Einen noch.«
»Kann ich nicht. Die würden mir doch sofort die Lizenz zwicken. Ich bin ein Pechvogel. Mach's mir nicht so schwer, Cochran. Wir sind doch Freunde.«
»Ich hab keine Freunde.«
»Auch gut. Aber jetzt hau ab. Raus, verzieh dich.« Er beugte sich nach vorn. »Setz deinen Arsch in Bewegung, oder du landest auf dem Pflaster wie Densh.«
»Ja doch, zum Teufel«, murmelte Larry, der plötzlich sein Interesse am Scotch und dem Gold Key verloren zu haben schien. »Kann ich noch aufs Klo?«
»Ja, aber piss nicht daneben, sonst lass ich dich den Boden wischen.«
Larry wäre vor Lachen beinahe vom Hocker gekippt. Der Barkeeper hatte gar nicht gewusst, wie komisch er war, aber wenigstens würde der Kerl ihm keinen Ärger mehr machen. Er machte sich daran, die letzten Gläser in den Spüler zu räumen, während Larry durch den Flur in Richtung Toilette wankte und dabei gelegentlich die Wand rammte.
Der Geruch nach Ammoniak stieg Larry scharf in die Nase, als er die Tür öffnete. Als Stammgast dieser Bar war Larry zwar daran gewöhnt, aber heute Nacht kam er ihm besonders heftig vor. Allerdings fühlte sein Kopf sich an, als steckte ihm ein Kürbis auf den Schultern. Er hatte Leute zwar schon oft über Migräne reden hören, aber bis jetzt noch keine gehabt. Jetzt fragte er sich, ob er gerade seine erste erlebte. Das Licht tat ihm in den Augen weh, und jedes Geräusch kam ihm unerträglich laut vor. Überdies fühlte sein Kopf sich an, als würde ihm jemand einen Eispickel durch die Schädeldecke rammen.
Ein Eispickel. Skeeter Dobbs. Kein großer Verlust für die Welt. Der Kerl hatte ihm immer eine Gänsehaut verpasst. Wendy Wright hatte dasselbe empfunden. Gott, wie sehr er das Mädchen vermisste! Aber sie war am College, um die Prüfungen nachzuholen, die sie im Frühjahr verpatzt hatte. Nicht, dass das so schlimm gewesen wäre. Zu Hause müsste sie ohnehin bei ihrer Schwester Jean wohnen; und die würde ihre kleine Schwester mit Argusaugen bewachen und Larry nicht an sie heranlassen. Jean hasste ihn, weil sie der Ansicht war, dass ein ehemaliger Zuchthäusler nicht zu Wendy passte. Aber Wendy mochte ihn und kam, so oft sie konnte, heimlich zu ihm in die Stadt. Im Augenblick war Wendy der einzige Lichtblick in seinem Leben, der einzige Mensch, der ihm Freude machte. Er würde sie heiraten, ganz egal, was für ein Geheul Jean anstimmen würde. Andauernd versuchte sie ihn schlechtzumachen, zweifelte seine Ehrlichkeit an. Redete allen möglichen Scheißkram. Blöde zugeknöpfte Kuh. Wendy verabscheute sie, konnte es gar nicht erwarten, sich von ihr zu lösen.
Larry erleichterte sich und verließ die Kneipe durch die Hintertür. Burt hätte auch nichts anderes von ihm erwartet. Nur wenige Meter Asphalt trennten das Gold Key von der Rückseite des Gebäudes, das früher einmal Fanny's Fine Fabrics geheißen hatte und schon bald Lynn gehören würde. Hoffentlich hatte sie damit Erfolg und so viel zu tun, dass sie ihn endlich in Ruhe ließ.
Ein überladener Müllcontainer stand direkt unter einer Natriumdampflampe. Der Gestank, der dem Container entstieg, war heute besonders widerwärtig. Burt sollte das Ding wirklich öfter mal ausleeren, dachte Larry in einem außergewöhnlichen Anflug von Rechtschaffenheit.
Er würde in Richtung Zweite Straße gehen, dann quer durch den Park und nach Hause. Inzwischen war es Mitternacht. Der Park würde menschenleer sein. Perfektes Timing. Von dort waren es nur noch drei Blocks bis zu seiner Wohnung.
Viele Leute hatten komische Vorstellungen über diese Seitenstraße und mieden sie, weil hier Slim Tanner ihren Mann erstochen hatte. Die Leute glaubten wahrscheinlich, dass es da spukte oder so was. Larry lachte verhalten.
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