Glaub nicht es sei vorbei
ausging. Das war vor etwa zehn Minuten. Sie müsste eigentlich längst hier sein.«
»Vielleicht hat man ihr vor dem Haus aufgelauert«, sagte Clay. Er trat ans Fenster und schob den Vorhang beiseite. »Ich sehe sie nicht, aber da draußen bildet sich langsam eine richtige Menschenmenge. Da sind bestimmt schon an die dreißig Leute.«
Bill schoss in die Höhe. »Jetzt habe ich aber genug. Ich knöpf mir jetzt ein paar von denen vor.«
Clay zog die Augenbrauen in die Höhe, den Anflug eines Lächelns um die Mundwinkel. Rebekka wusste, dass er Bills Temperament ebenso schätzte wie sie. Bill rief im Revier an und trat dann vors Haus. Stimmen wurden laut. Er zog die Tür hinter sich zu, und Rebekka stellte sich zu Clay ans Fenster.
Einen Augenblick nach Bills Erscheinen auf der Veranda beruhigte sich die Menge, sodass man nur noch Bill reden hörte, der den Leuten sagte, dass es keine Neuigkeiten gebe und dass ihre Anwesenheit vor dem Haus rücksichtslos, aufdringlich und ungesetzlich sei. Er könne und werde jeden festnehmen, der das Grundstück nicht umgehend verließe. Nach ein paar Sekunden tauchte ein Polizeiwagen mit blinkenden Lichtern auf. Die Menge begann sich zu zerstreuen, wobei die einen hastig, andere nur zögernd und murrend das Weite suchten, als wollten sie ihr Glück herausfordern. Die einzige Person, die keinen Zentimeter zurückwich, war die Reporterin Kelly Keene.
»Chief Garrett, Sie scheinen zu vergessen, dass die Menschen ein Recht auf Informationen haben ...«
»Und Sie scheinen zu vergessen, dass Ms. Ryan ein Recht auf Privatleben hat.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Ich sage es noch einmal, Sie begehen Hausfriedensbruch. Im Augenblick finden Sie es vielleicht aufregend, verhaftet zu werden, aber Ihr geschätztes Publikum wird Sie wohl eher für dumm halten, wenn Sie stundenlang in Untersuchungshaft sitzen, bis Sie auf Kaution freikommen, während Sie eigentlich eine gute Story verfolgen sollten. Wenn Sie anderer Meinung sind, werde ich Sie von einem meiner Männer ins Gefängnis eskortieren lassen.«
Kellys Augen wurden schmal. Ihr ganzes Gesicht schien schmal zu werden, und man las darin die Enttäuschung eines verwöhnten Kindes. Dann machte sie mit tänzerischer Anmut kehrt und schritt auf den Lieferwagen zu. Sie stieg ein und schlug die Türe zu. Sekunden vergingen. Der Lieferwagen. bewegte sich nicht von der Stelle. Die Presseleute wussten ganz genau, dass sie keinen Hausfriedensbruch begingen, solange sie vor dem Haus im Wagen saßen. Sie würden bleiben. Bill stand wütend auf der Veranda.
»Das ist ein Albtraum«, sagte Clay.
»So einen, hab ich schon einmal erlebt.« Rebekka seufzte.
Ja, Zufall ist das bestimmt keiner.« Er sah sie eindringlich an. »Diese Stadt hat zwanzigtausend Einwohner, eine ganz normale Kleinstadt. Die Verbrechensrate ist verschwindend gering. Die Leute hier fühlen sich sicher. Und dann passiert so etwas — sogar zweimal, noch dazu in ein und derselben Familie.« Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Ich hätte das nicht sagen sollen. Tut mir Leid.«
Rebekka empfand plötzlich eine große Erleichterung. Sie wusste, dass Bill an ihre Visionen glaubte. Es war ihre Vernunft, an der er zu zweifeln schien. Mit ihrer Mutter konnte sie nicht darüber sprechen, und Frank nahm ihren Standpunkt nicht ganz ernst, weil er der Meinung war, dass sie sich ihre außersinnlichen Wahrnehmungen nur einbilde.
»Das braucht dir nicht Leid zu tun«, sagte Rebekka zu Clay. »Du sagst nur, was ich die ganze Zeit empfunden habe, auch wenn Bill bestreitet, dass zwischen den Entführungen ein Zusammenhang besteht. Aber den gibt es, ich bin ganz sicher.« Ihre Stimme wurde eindringlicher. »Und wenn wir uns das endlich eingestünden und nach den Parallelen suchten, würden unsere Chancen, Todd zu finden, erheblich steigen. Solange mir jedoch niemand zustimmt ...«
Clay runzelte die Stirn. »Ich glaube, dass die anderen den Zusammenhang vor allem deshalb leugnen, weil Jonnie auf so schreckliche Weise sterben musste. Aber wenn sogar du bereit bist, dich damit auseinanderzusetzen, dann könnten auch andere es sein.«
»Das erzähl mal meiner Familie!«
»Ich glaube kaum, dass sie auf irgendeinen Kerl hören würden, den sie jahrelang nicht gesehen haben«, meinte er trocken. »Aber wenn es irgendeine andere Möglichkeit gibt, wie ich dir helfen kann, dann sag es mir.«
Alle boten ihre Hilfe an, dachte Rebekka, rechneten aber nicht damit, dass man sie tatsächlich beim
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