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Glaub nicht es sei vorbei

Glaub nicht es sei vorbei

Titel: Glaub nicht es sei vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlene Thompson
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Bibliothek in Sicht. Sie war kurz nach der Jahrhundertwende von einem Architekten erbaut worden, der ein Liebhaber des gotischen Baustils war. Das Gebäude wirkte daher finster und unheimlich, ein Ungeheuer aus grauem Backstein, mit Ornamenten überladen und viel zu wenigen Fenstern. Rebekka dachte immer, dass nur noch die Wasserspeier fehlten, die vom Dach lugten.
    Der Parkplatz war nahezu leer. Sie hielt in der Nähe des Eingangs, sprang aus dem Wagen, stürzte die Stufen hinauf, durch die Tür und in die Eingangshalle der Bibliothek. An der Bücherausgabe stand ein tadellos frisierter Mann mittleren Alters, dessen Kinnlade nach unten klappte, als sie ihn anschrie: »Rufen Sie die Polizei! Schicken Sie sie in den Pioniersaal!«
    »Was in drei T... was ... hier geblieben! Stopp!«
    »Rufen Sie die Polizei!«, rief Rebekka voller Angst. »Sonst wird sie ermordet. Machen Sie schon!«
    »Sind Sie irre?«, schalt der Mann. »Bleiben Sie stehen!«
    Anstatt den Lift zu benutzen, der sich, wie sie sich erinnerte, mit nervtötender Langsamkeit nach oben bewegte, stürmte Rebekka, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Auf dem Treppenabsatz des ersten Stocks geriet sie ins Stolpern, weil die Umgebung sich erneut hinter die Perspektive von Sonias Beobachter verkroch. Sonia streckte sich, blickte um sich, sah auf die Uhr, schüttelte sich das lange Haar über die Schulter und entblößte dabei einen zarten weißen Hals, bevor sie sich erneut über ihr Buch beugte. Leichte Beute, dachte ihr Beobachter, bevor er sich dem Mädchen näherte. Näher, immer näher ...
    »Sonia!«, schrie Rebekka, als das Bild des Mädchens vor ihren Augen verschwamm. »Lauf weg, Sonia!«
    Ob das Mädchen reagierte, konnte Rebekka nicht sehen. Der Treppenabsatz und die nächste Stufenflucht kamen wieder in Sicht. Ihr war heiß und kalt zugleich. In ihrem Kopf drehte sich alles, als würde sie jeden Moment umkippen, aber sie achtete nicht darauf und hetzte weiter.
    Tu es. Die Gedanken des Beobachters pochten durch Rebekkas Hirn. Schnell. Sie hebt den Kopf.
    Rebekka sah im Geiste den Raum vor sich. Sie sah eine Hand, die einen metallenen Gegenstand auf Sonia richtete, sah, wie der Gegenstand ihren Hals berührte, leise knisterte und blaue Funken sprühte. Sonia stöhnte auf und. taumelte vom Stuhl. Ein Elektroschocker, dachte Rebekka. Sonias Angreifer wollte verhindern, dass sie schrie. Sein Opfer sollte besinnungslos sein, wenn er es umbrachte.
    Rebekka platzte in den Saal und sah entsetzt, wie eine Gestalt in Jeans und dunklem Anorak, die Kapuze tief im Gesicht, sich über Sonia beugte. Dann fegte die Gestalt mit gesenktem Kopf und schnell wie ein Wiesel an Rebekka vorbei und löschte das Licht. Schlagartig wurde es dunkel im Saal. Nur durch zwei hohe, schmale Fenster sickerte noch ein letzter Rest Abendlicht.
    Rebekka hörte im Erdgeschoss Stimmen laut werden. Wahrscheinlich stand der Bibliothekar noch immer an der Bücherausgabe und regte sich künstlich auf. Vielleicht hatte ein Angestellter ja mehr Geistesgegenwart bewiesen und die Polizei angerufen, obwohl sie weder Schritte auf der Treppe noch das behäbige Knarzen des Aufzugs hörte.
    Rebekka gelangen keine tiefen Atemzüge, nur schnelle, flache, die ihren Herzschlag beschleunigten. Auf keinen Fall durfte sie hyperventilieren und umkippen. Sie duckte sich, um dem schwachen Lichtschein zu entgehen, der durch die schmalen Fenster hereinfiel. Der Beobachter hatte kostbare Zeit verloren, als er zum Lichtschalter gelaufen war. Er war jetzt hinter ihr und belauerte sie, das spürte sie ganz deutlich. Sie musste vor ihm die bewusstlose Sonia erreichen. Zweifellos würde er sie beide töten, aber im Gegensatz zu Sonia konnte Rebekka sich gegen ihn wehren. Sie war wach und kräftig und nur mithilfe des Elektroschockers zu besiegen.
    Rebekka verharrte einen Moment lang regungslos, um sich eine Strategie zu überlegen. Sie kauerte zwischen Sonia und der Eingangstür. Soweit sie sich erinnern konnte, maß der Raum etwa 120 Quadratmeter nicht zu groß in Anbetracht all der Regale und Schaukästen mit heimischen Handschriften, die hier Platz finden mussten.
    Rebekka vernahm ein leises Geräusch, das von der Stelle zu kommen schien, an der Sonia lag. Sie kroch auf sie zu. Mittlerweile trommelte der Regen gegen die schmalen Fenster. Wo blieben denn bloß die Polizeitruppen, die sie retten sollten? Hatte dieser Schnösel an der Bücherausgabe sie überhaupt verständigt? Wenn nicht er, dann

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