Glaub nicht es sei vorbei
vielleicht einer der Angestellten.
Während sie sich behutsam auf Sonia zubewegte, spürte Rebekka, dass der Angreifer sie nicht aus den Augen ließ. Endlich ertastete sie eine Strähne seidigen Haars auf dem Teppich. Sie fragte sich, wie sie sich zur Wehr setzen konnte. Sie hatte keine Waffe. Nur ihren Körper. Und ihre Geistesgegenwart. Sie war weder dumm noch feige.
Hätte sie nur eine Waffe dabei!
Rebekka schützte Sonia mit ihrem Körper. Sie wollte sich nicht mit ihrem ganzen Gewicht auf das Mädchen legen, weil sie nicht wusste, wie viel Schaden der Elektroschocker Sonias Hals zugefügt hatte. Ihre Atemzüge erschienen ihr lang und rau.
Plötzlich war der Angreifer da. Rebekka fühlte seine Körperwärme und hörte sein heftiges Atmen. Ihr Herz war ein eisiger Klumpen, aber ihr Gehirn arbeitete fieberhaft. »Ist da jemand? fragte sie kläglich. Rebekkas Stimme klang schwach und ängstlich, doch sie fühlte sich stark und entschlossen. »Bitte tun Sie uns nichts. Ich habe Sie nicht gesehen.«
»Das ist der springende Punkt, nicht wahr, Rebekka?«, flüsterte eine Stimme. »Du brauchst nicht mit den Augen zu sehen, um etwas zu erkennen. Das macht dich so gefährlich.«
»0 nein, bitte.« Sie verlieh ihrer Stimme ein Mitleid erregendes Zittern. »Ich bin doch erst 26 ...«
Im schwachen Licht erfasste sie die Silhouette eines stumpfen Metallgegenstands, der sich ihrem Genick näherte. Der Elektroschocker.
Rebekka holte mit ihrem kräftigen rechten Bein aus und trat schwungvoll zu, wobei sie aufschrie und so dem Tritt noch mehr Nachdruck verlieh. Der Absatz ihres Schuhes traf auf einen Widerstand, der sich wie die Innenseite eines Schenkels anfühlte. Der Beobachter jaulte auf und stieß einen rauen Fluch aus. Endlich wurde gegen die Tür des Pioniersaals getrommelt. Der Angreifer hatte sie abgeschlossen, nachdem er die Lichter ausgeschaltet hatte. »Hilfe! «, schrie Rebekka. »Schlagt die Tür ein!«
Eine Hand schloss sich um ihren Hals und nagelte sie am Boden fest. Der Elektroschocker machte ihr Sorgen. Er konnte sie in Sekundenschnelle außer Gefecht setzen. Dann war sie leichte Beute. Rebekka trat erneut zu, stieß jedoch ins Leere. Sie vermied es, mit den Armen um sich zu greifen, um sie nicht dem Elektroschocker auszusetzen.
Dann senkte sich ein Gewicht auf sie nieder. Du liebe Zeit, würde der Mensch sie etwa vergewaltigen, bevor er sie umbrachte? Und all dies, während eine Menschenmenge vergebens gegen die Tür hämmerte und der geschniegelte Affe von Bibliothekar vergeblich nach dem Schlüssel suchte? Vielleicht wäre das der letzte Kick für diesen kranken Irren? Sein Hauptziel war es, sie und Sonia zum Schweigen zu bringen. Mit einer brutalen Vergewaltigung würde er noch eins draufsetzen.
Rebekka spürte, dass der Angreifer seine Finger über ihren Nacken wandern ließ und ihr in verhaltener Lust seinen Atem ins Ohr blies. Sie vergaß vor Abscheu ihre Angst.
Sonia stöhnte, doch im selben Augenblick hörte sie Glas splittern und die Stimmen vor der Tür lauter werden. »Alles in Ordnung da drin? Die Polizei ist hier. Sie sind umstellt!«
Die vertraute leicht näselnde Stimme eines Jugendlichen. Cory Ellis, Sonias jüngerer Bruder. »Achtung, wir kommen jetzt rein! Hör zu, du verdammter Hurensohn, lass ja die Finger von meiner Schwester!«
»Geh zur Seite, mein Sohn«, befahl eine tiefe männliche Stimme und wiederholte dann Corys Worte. »Wir kommen rein!«
Eine erdrückende Last wich von Rebekka. Dann schlug eine Hand ihr so hart ins Gesicht, dass ihr die Zähne wackelten. »Du Luder! Immer musst du mir in die Quere kommen!« Der Angreifer packte zuerst ihr rechtes, dann ihr linkes Handgelenk, und sie spürte jeweils einen leichten Schnitt in die weiche Haut über den Pulsadern. Sekunden später war der Angreifer verschwunden. Die Tür flog auf und schlug gegen die Wand. Wieder splitterte Glas, und sie schloss die Augen vor dem grellen Neonlicht. Während sie versuchte, die verschiedenen Stimmen zuzuordnen, hörte Rebekka noch jemanden brüllen »Verflucht, er ist weg!«, und verlor das Bewusstsein.
12.Kapitel
1
Der Krankenwagen raste mit Rebekka und Sonia ins Krankenhaus. »Wird sie wieder gesund?«, fragte Rebekka eine Sanitäterin und blickte besorgt auf Sonias geschlossene Augen und ihr kreidebleiches Gesicht.
»Blutdruck und Herzschlag sind normal. Nur im Nacken, wo dieser verfluchte Elektroschocker sie getroffen hat, weist sie ein paar üble Verbrennungen auf. Haben Sie den
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