Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Lynley ihm zu. »Wenn jemand die Steine manipuliert hat, kann das zu jedwedem Zeitpunkt erfolgt sein. Wir sind also wieder bei der Frage, wer Zugang zum Bootshaus hat, was bedeutet, dass fast alle in Frage kommen.«
»Wir müssen uns den Anleger noch einmal genauer ansehen und die Steine aus dem Wasser holen. Oder wir akzeptieren, dass es ein Unfall war, und legen den Fall zu den Akten. Falls Fairclough Gewissheit haben will, schlage ich Ersteres vor.«
»Das will er.«
»Das heißt also, wir müssen mit starken Scheinwerfern ins Bootshaus, und wir brauchen jemanden, der die Steine für uns aus dem See holt.«
»Wenn es mir nicht gelingt, Fairclough dazu zu überreden, eine Ermittlung offiziell zu beantragen, werden wir das wohl selbst übernehmen müssen«, sagte Lynley.
»Hast du eine Ahnung, warum er sich nicht in die Karten kucken lässt?«
Lynley schüttelte den Kopf. »Es hat mit seinem Sohn zu tun, aber ich weiß nicht was – abgesehen vom Naheliegenden natürlich.«
»Und das wäre?«
»Na ja, ich kann mir nicht vorstellen, dass er seinen einzigen Sohn wissen lassen möchte, dass er ihn des Mordes verdächtigt. Schließlich hat der junge Mann ein neues Leben angefangen. Und anscheinend wurde er zu Hause mit offenen Armen empfangen.«
»Und er hat ein Alibi, wie du sagst.«
»Er war mit seiner Frau zusammen«, sagte Lynley.
Deborah hatte bisher nur zugehört, aber als das Gespräch auf Nicholas Fairclough zurückkam, hatte sie einen Stapel Papiere aus ihrer Tasche genommen. »Barbara hat mir die Seiten aus der Zeitschrift Conception zugefaxt, Tommy«, sagte sie. »Sie hat die Zeitschrift per Eilpost aufgegeben, aber bis sie hier eintrifft …« Deborah reichte ihm die Seiten.
»Steht da was Relevantes drin?« Lynley sah, dass es sich vor allem um Anzeigen handelte, sowohl private als auch geschäftliche.
»Es passt zu Nicholas’ Aussage, dass sie sich ein Kind wünschen«, sagte sie.
Lynley warf St. James einen kurzen Blick zu. Er wusste, dass sein Freund dasselbe dachte wie er: Wie objektiv konnte Deborah sein, wenn sie und Nicholas’ Frau dasselbe Problem hatten?
Deborah war der kurze Blickkontakt zwischen den beiden nicht entgangen. »Also wirklich«, sagte sie. »Habt ihr nicht gelernt, dass man in Gegenwart eines Verdächtigen keine Miene verzieht?«
Lynley lächelte. »Sorry. Macht der Gewohnheit. Bitte fahr fort.«
Sie schnaubte verächtlich, kam seiner Bitte aber nach. »Seht euch das an und bedenkt dabei, dass Alatea – oder jemand anders – diese Seiten aus der Zeitschrift herausgerissen hat.«
»Falls es jemand anders war, könnte das eine wichtige Rolle spielen«, bemerkte St. James.
»Ich halte es aber für ziemlich unwahrscheinlich. Seht mal. Hier wird für so ziemlich alles geworben, was mit dem Thema Fortpflanzung zu tun hat. Es gibt Anzeigen von Anwälten, die sich auf Adoptionen spezialisiert haben, Werbeanzeigen von Samenbanken, Anzeigen von lesbischen Paaren, die nach einem Samenspender suchen, von Adoptionsagenturen, von Anwälten die sich auf Leihmutterschaft spezialisiert haben. Anzeigen, in denen Studentinnen gesucht werden, die bereit sind, Eier zu spenden, und nach Studenten, die bereit sind, gegen ein Entgelt regelmäßig Samen zu spenden. Dank der modernen Wissenschaft hat sich das zu einem richtigen Industriezweig entwickelt.«
Deborah hatte immer leidenschaftlicher gesprochen, und Lynley fragte sich, was das zu bedeuten hatte, vor allem in Bezug auf Nicholas Fairclough und dessen Frau. Er sagte: »Seine Frau zu beschützen ist für einen Mann sehr wichtig, Deb. Gut möglich, dass Fairclough die Zeitschrift gesehen und diese Seiten herausgerissen hat, um Alatea zu ersparen, dass sie sie sieht.«
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber das bedeutet nicht, dass Alatea nichts von den Seiten weiß.«
»Einverstanden. Und was soll das mit Ian Cresswells Tod zu tun haben?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber wenn du jede Möglichkeit überprüfen willst, dann musst du auch diese hier in Betracht ziehen.«
Wieder schaute Lynley St. James an. »Sie hat recht«, sagte St. James.
Deborah wirkte überrascht. Die Tatsache, dass ihr Mann ständig und zu ihrem großen Verdruss versuchte, sie vor Schmerz zu bewahren, war ein alter Streitpunkt zwischen ihnen, was darauf zurückzuführen war, dass er sie erstens seit ihrem siebten Lebensjahr kannte und dass er zweitens elf Jahre älter war als sie. Sie sagte: »Ich glaube, ich muss noch mal mit Alatea reden, Tommy. Ich könnte
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