Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
tropfnass, wie er war, auf den Beifahrersitz fallen. »Sorry«, sagte er, als er sah, dass er das ganze Auto nass machte.
»Kein Problem.«
Zed fuhr langsam, denn er war entschlossen, alles aus dem Jungen herauszubekommen, was der wusste. Um seine Fahrweise zu rechtfertigen, stierte er auf die Straße und mimte den dummen Städter, der permanent Angst hatte, mit einem Schaf oder einem Kobold zu kollidieren.
Daniel fragte: »Was machen Sie überhaupt hier oben?«
Zed hatte bereits einen Aufhänger, den Daniel ihm selbst unbeabsichtigterweise geliefert hatte: »Du scheinst dich um das Lokalkolorit zu sorgen.«
»Hä?« Der Junge sah ihn verständnislos an.
»Angst vor Perversen.«
»Ist doch klar«, antwortete Daniel achselzuckend. »Von denen wimmelt’s hier oben.«
»Na ja, hier gibt’s doch eigentlich genug Schafe«, sagte Zed mit einem Augenzwinkern. »Aber vor einem Perversen ist wohl niemand gefeit.«
Der Junge bedachte ihn mit einem dieser für Jugendliche typischen Blicken, die Du bist ein Vollidiot viel eloquenter sagten, als Worte das könnten.
Zed sagte: »Sollte ein Witz sein. Ist noch zu früh am Morgen. Wo willst du denn hin?«
»Zur Landstraße. Da hält der Schulbus.«
»Und wo gehst du zur Schule?«
»In Windermere.«
»Ich kann dich hinbringen, wenn du willst. Ich fahre sowieso in die Richtung.«
Der Junge sah ihn argwöhnisch an. Vielleicht war er ja doch an einen Perversen geraten. »Was wollen Sie überhaupt?«, fragte er. »Sie haben mir gar nicht gesagt, warum Sie schon wieder hier sind. Was soll das?«
Ein neunmalkluges Bürschchen, dachte Zed. »Verdammt, entspann dich«, sagte er. »Ich lass dich raus, wo du willst. Möchtest du jetzt gleich aussteigen?«
Daniel betrachtete den strömenden Regen. »Aber lassen Sie bloß die Finger von mir«, sagte er. »Ich verpass Ihnen sonst eine in den Adamsapfel, und denken Sie ja nicht, dass ich mich nicht trau. Ich weiß, wie das geht. Mein Vater hat’s mir beigebracht, und es funktioniert, glauben Sie mir. Besser als ein Tritt in die Eier. Viel besser.«
»Toller Trick«, sagte Zed. Er musste das Gespräch auf das von ihm gewünschte Thema bringen, bevor sie die Landstraße erreichten und bevor der Junge ausflippte. »Dein Vater scheint sich Sorgen um dich zu machen«, sagte er.
»Allerdings. Bei uns nebenan wohnen schließlich zwei Perverse. Die tun so, als würden sie bloß zusammenwohnen, aber wir wissen genau, was da abläuft. Mein Dad sagt, bei solchen Typen kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Und jetzt ist es noch schlimmer.«
»Wieso schlimmer?« Hallelujah, dachte Zed.
»Weil einer von den beiden tot ist, und jetzt sucht der andere sich bestimmt jemand Neues.«
Die Information stammte offenbar von jemandem, der sich auskannte, dachte Zed. »Verstehe«, sagte er. »Könnte aber auch sein, dass der andere wegzieht, oder?«
»Darauf wartet mein Dad ja auch«, sagte Daniel. »Er will das Haus nämlich kaufen.«
»Was, das ganze Anwesen mit Schafen und allem Drum und Dran?«
»Ganz genau«, sagte Daniel. Er schob sich eine nasse Strähne aus der Stirn und begann zu plaudern. Jetzt wo nicht länger die Rede von den Perversen war, wie er sie nannte, war er sichtlich entspannter, denn er drehte die Heizung auf tropische Temperaturen hoch und kramte eine Banane aus seinem Rucksack, die er sich einverleibte. Er erzählte Zed, dass sein Vater das Haus hauptsächlich kaufen wolle, um es ihm, Daniel, später zu vererben. Was total bescheuert war, fand Daniel, denn er wolle eher tot umfallen, als Schafzüchter werden. Er werde bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Lake District abhauen und zur Royal Airforce gehen. Die machten hier oben Übungsflüge, ob Zed das schon bemerkt habe? Geile Flugzeuge, die im Tiefflug durch das Tal donnerten, ganz plötzlich kamen die angerast, wenn man irgendwo langlief, und das war echt voll cool.
»Das hab ich meinem Dad schon tausendmal erklärt«, sagte Daniel. »Aber er meint, er könnte mich zu Hause behalten, wenn er diesen bescheuerten alten Kasten kauft.«
Er möge seinen Dad wirklich sehr, sagte Daniel, doch so leben wie er wolle er nicht. Seine eigene Mutter sei davongelaufen, weil sie es hier in dem Kaff nicht ausgehalten habe. Trotzdem wolle sein Vater es immer noch nicht kapieren.
»Ich sag ihm immer, er soll das machen, was er gut kann. Ich find, das gilt für jeden.«
Da musste er dem Jungen recht geben, dachte Zed. »Und was ist das?«, fragte er.
Daniel zögerte. Zed
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