Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Geld hinterher, Manette. Und ich glaube, Ian war der Einzige, der davon wusste.«
AUF DEM WEG VON CHALK FARM NACH MARYLEBONE – LONDON
Barbara Havers gönnte sich gerade einen kleinen Imbiss, als Angelina Upman und ihre Tochter an ihre Tür klopften. Der Imbiss bestand aus einem Blaubeer-Pop-Tart und einer Portion Cottage Cheese – jede Mahlzeit sollte mindestens drei Nährstoffgruppen enthalten, und in dieser Kombi waren immerhin zwei vertreten. Barbara stopfte sich schnell den letzten Bissen des Gebäcks in den Mund, ehe sie die Tür aufmachte, denn sie wollte sich von Hadiyyah nicht beim Verzehren eines Pop-Tart erwischen lassen.
Außerdem rauchte sie beim Essen, und Hadiyyah entdeckte augenblicklich die Zigarette, die in einem Aschenbecher auf dem Tisch vor sich hinqualmte. Sie bedachte Barbara mit einem tadelnden Blick, verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit dem Fuß auf den Boden, sagte jedoch nichts. Dann schaute sie ihre Mutter an, eine tugendhafte Nichtraucherin, als wollte sie sagen: »Siehst du, mit was ich mich hier herumplagen muss?«
Angelina sagte: »Wir haben gute und schlechte Nachrichten. Dürfen wir reinkommen?«
O Gott, nein, dachte Barbara. Bisher war es ihr gelungen, Angelina von ihrer Bude fernzuhalten, und eigentlich hätte das so bleiben sollen. Sie hatte ihr Schlafsofa nicht eingeklappt, sie hatte das Geschirr nicht gespült, und über ihrer Spüle hingen an einer behelfsmäßigen Wäscheleine fünf Unterhosen zum Trocknen auf. Aber sie konnte ja schlecht in die Novemberkälte hinaustreten und sich anhören, was Angelina und ihre Tochter von ihr wollten.
Also trat sie zur Seite und sagte: »Ich wollte gerade mit dem Hausputz anfangen« – eine derart himmelschreiende Lüge, dass sie ihr beinahe im Hals stecken geblieben wäre.
Hadiyyah sah sie zweifelnd an, doch Angelina kannte Barbara noch nicht gut genug, um zu wissen, dass für Barbara ein Hausputz etwa so verlockend war wie ein Besuch beim Zahnarzt.
Barbara sagte: »Kaffee? Tee? Ich kann ein paar Tassen spülen.« In dem Berg aus schmutzigem Geschirr und Besteck befanden sich immerhin zehn Henkeltassen.
»Nein, nein, wir können nicht lange bleiben«, sagte Angelina. »Aber ich wollte Ihnen wenigstens wegen Dusty Bescheid sagen.«
Wie bitte …?, fragte sich Barbara, bis ihr einfiel, dass das der Name des Frisörs in Knightsbridge war, der dazu ausersehen war, ihr eine neue Frisur zu verpassen. »Ah, ja«, sagte sie und drückte eilig die Zigarette aus, die immer noch im Aschenbecher qualmte.
»Ich habe Ihnen einen Termin bei ihm besorgt«, verkündete Angelina. »Aber der ist leider erst in einem Monat. Dusty ist immer restlos ausgebucht. So ist das nun mal bei erfolgreichen Friseuren, da stehen die Kundinnen Schlange.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Barbara, als hätte sie eine Ahnung von so etwas. »Mist. Tja, da hab ich wohl Pech gehabt.«
»Pech gehabt?«, wiederholte Hadiyyah. »Du musst unbedingt da hingehen, Barbara. Er ist der Beste. Du wirst staunen, wie schön er dir die Haare schneidet.«
»Das glaub ich dir aufs Wort, Kleine«, sagte Barbara, »aber ich hab meiner Chefin gesagt, dass ich einen freien Tag brauche, um zum Frisör zu gehen, und ich kann mir weder einen ganzen Monat freinehmen, noch ohne neue Frisur zur Arbeit erscheinen. Also …« Sie schaute Angelina an. »Kennen Sie vielleicht noch jemanden, den Sie mir empfehlen können?«
Angelina machte ein nachdenkliches Gesicht. Hob eine perfekt manikürte Hand und legte sie an ihre Wange. »Wissen Sie was, ich glaube, da lässt sich was machen. Vielleicht nicht bei Dusty, aber in seinem Salon. Er hat immer Leute da, die noch in der Ausbildung sind und unbedingt bei ihm lernen wollen … Vielleicht kann einer von denen Ihnen die Haare schneiden. Wenn ich mitkomme, kann ich Dusty bitten, zwischendurch mal einen Blick darauf zu werfen. Was halten Sie davon?«
In Anbetracht dessen, dass sie sich seit zwanzig Jahren die Haare in der Dusche absäbelte, konnte alles, was halbwegs professionell war, nur besser sein. Trotzdem fand Barbara es angebracht, sich ein bisschen skeptisch zu geben. »Hmm«, sagte sie. »Ich weiß nicht … Was meinen Sie? Das ist nämlich wichtig, weil meine Chefin die Angelegenheit sehr ernst nimmt.«
»Das haut bestimmt hin«, versicherte ihr Angelina. »Es ist immerhin einer der besten Frisörsalons, die nehmen nicht jeden als Lehrling an … Soll ich mich also darum kümmern?«
»Ja, Barbara«, zwitscherte
Weitere Kostenlose Bücher