Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Ehemann zu kennen? Dann fiel ihr ein, dass Freddie schon lange nicht mehr ihr Ehemann war.
Eine Weile gaben sie sich der abendlichen Stille hin, die nur unterbrochen wurde vom Geschrei einiger Enten, die über sie hinwegflogen. Schließlich fragte Freddie: »Wo kommt das Zelt überhaupt her? Das ist doch neu, oder?«
Sie erzählte ihm von ihren Plänen: dass sie mit Tim ein paar Tage in die Berge fahren wollte, um auf den Scout’s Scar zu wandern. »Aber er ist nicht gerade begeistert von meinem Vorschlag.«
»Der arme Junge«, sagte Freddie. »Dem hat das Leben wirklich übel mitgespielt.«
Allerdings, dachte Manette.
Auf dem See waren Schwäne aufgetaucht. Majestätisch und still glitten sie scheinbar ohne Anstrengung über das Wasser. Manette schaute ihnen zu und spürte, dass Freddie neben ihr das ebenfalls tat. Nach einer Weile sagte Freddie nachdenklich: »Manette, ich habe angefangen, mich in Ians Buchhaltungsprogramm einzuarbeiten.«
»Ja, ich weiß.«
»Hm. Ja. Mir ist da etwas aufgefallen. Eigentlich sind mir mehrere Dinge aufgefallen, und ich weiß noch nicht so recht, was ich von alldem halten soll. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht mal sicher, dass es sich um etwas Wichtiges handelt, aber trotzdem möchte ich der Sache auf den Grund gehen.«
»Worum geht es denn?«
Freddie schaute sie an. Er schien zu zögern. Dann sagte er: »Wusstest du, dass dein Vater alles finanziert, was mit Arnside House zu tun hat?«
»Er hat das Haus Nicholas und Alatea zur Hochzeit geschenkt.«
»Ja, sicher. Aber er kommt auch für die gesamten Restaurationskosten auf. Und die sind beträchtlich. Hast du eine Ahnung, warum er das tut?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ist das denn wichtig? Dad hat doch Geld genug.«
»Stimmt. Ian hat deinen Vater garantiert dazu gedrängt, Nicholas das Geld nur als Kredit zur Verfügung zu stellen, und sei es zinslos und rückzahlbar in hundert Jahren. Und wie ich Ian kenne, hat er das alles irgendwo dokumentiert. Und denk doch bloß mal an Nicks Vergangenheit. Einem Junkie so viel Geld in die Hand zu drücken, das ist doch …«
»Ich glaube kaum, dass Dad ihm das Geld in die Hand gedrückt hat, Freddie. Wahrscheinlich bezahlt er einfach die Rechnungen. Außerdem ist Nick kein Junkie, sondern ein Exjunkie.«
»Ian hätte nicht gesagt Ex junkie. Nicht bei Nicks Geschichte.«
»Kann sein. Trotzdem … Nicholas wird irgendetwas von Dad erben. Vielleicht haben sie sich ja darauf geeinigt, dass Dad ihm sein Erbe schon jetzt auszahlt, damit Dad sich mit ihm daran freuen kann.«
Freddie wirkte nicht überzeugt. »Wusstest du, dass dein Vater Mignon seit Jahren Unterhalt zahlt?«
»Was bleibt ihm denn anderes übrig? Seit dem Sturz in Launchy Gill hat sie ihn doch in der Hand. Man sollte meinen, Dad hätte sie geschubst. Wahrscheinlich hätte er es tun sollen.«
»Die monatlichen Unterhaltszahlungen sind neuerdings gestiegen.«
»Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten?«
»Was hat sie denn schon für Lebenshaltungskosten? Und er hat den Unterhalt nicht nur erhöht, er hat ihn verdoppelt. Das hätte Ian niemals zugelassen. Dagegen hätte er protestiert. Wahrscheinlich hat er sogar versucht, deinen Vater dazu zu überreden, dass er die Unterhaltszahlungen ganz einstellt.«
Manette überlegte. Sie wusste, dass Freddie recht hatte. Aber einige Dinge, die Mignon betrafen, hatte er noch nie verstanden. »Sie hatte doch vor Kurzem diese Operation«, sagte sie. »Die Kosten dafür hat der National Health Service bestimmt nicht übernommen. Also muss jemand anders die Operation bezahlt haben, und das kann ja wohl nur Dad gewesen sein.«
»Dann hätte er das Geld aber direkt an die Klinik überwiesen.«
»Vielleicht hat er es an Mignon überwiesen, damit sie die Rechnung selbst bezahlen konnte.«
»Aber warum überweist er ihr diese Summe jeden Monat? Warum zahlt er ihr überhaupt immer noch Unterhalt?«
Manette schüttelte den Kopf. Die Wahrheit war: Sie wusste es nicht.
Sie schwiegen eine Weile. Als Freddie schließlich seufzte, wusste sie, dass noch etwas auf sie zukam. Sie fragte ihn danach. Er holte tief Luft.
»Was ist eigentlich aus Vivienne Tully geworden?«, fragte er.
Sie schaute ihn an, doch er betrachtete weiterhin die Schwäne auf dem See. Sie sagte: »Ich habe keine Ahnung. Warum?«
»Weil auch sie seit acht Jahren regelmäßige Zahlungen erhält.«
»Warum das denn?«
»Wenn ich das wüsste. Aber dein Vater wirft seit Jahren allen möglichen Leuten viel
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