Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
dass Filmemacher immer an Bildern interessiert seien, die ihr Thema illustrierten, und da gebe es ja jede Menge Möglichkeiten. Er schlug vor, mit ihr nach Barrow-in-Furness zu fahren und ihr einige Gegenden zu zeigen, wo Obdachlose nächtigten. Das könnte einen wichtigen Aspekt zum Gesamtbild beitragen.
Deborah war einverstanden. Das war eine zusätzliche Gelegenheit, Informationen auszugraben, und das war es doch, worum Tommy sie gebeten hatte. Wo sie sich treffen sollten, fragte sie Nicholas.
Er würde sie an ihrem Gasthaus abholen, sagte er.
Sie sah darin keine Gefahr. Schließlich hatte sie ihr Handy, und Simon und Tommy waren beide in der Nähe. Sie hinterließ ihrem Mann einen Zettel mit Nicholas Faircloughs Handynummer und ging nach draußen.
Zwanzig Minuten nach ihrem Gespräch fuhr Nicholas in einem alten Hillman vor. Deborah hatte vor dem Gasthaus auf ihn gewartet, und als er vorschlug, noch irgendwo einen Kaffee zu trinken, ehe sie nach Barrow-in-Furness aufbrachen, hatte sie nichts dagegen.
Sie fuhren nach Milnthorpe, das einen hübschen Marktplatz besaß. An der einen Seite des Platzes erhob sich auf einer kleinen Anhöhe eine Kirche, während sich an zwei der anderen drei Seiten Läden, Restaurants und Cafés aneinanderreihten. Neben einem Schnellimbiss namens Milnthorpe Chippy, der alles im Angebot hatte, was sich frittieren ließ, befand sich ein kleines Café, das Nicholas ansteuerte. Kurz bevor sie es erreichten, rief Nicholas plötzlich: »Niamh! Niamh!« Eine Frau, die gerade aus einem China-Imbiss trat, drehte sich um.
Die Frau war klein und zierlich und kam Deborah in Anbetracht der Tageszeit übertrieben aufgedonnert vor, denn sie trug Stilettos und ein kurzes Cocktailkleid, das ihre wohlgeformten Beine zur Geltung brachte. Das tiefe Dekolletee gab den Blick auf üppige Brüste frei, bei deren Form offenbar künstlich nachgeholfen worden war. In der Tür hinter ihr stand ein Mann, der eine Schürze mit dem Logo des China-Imbiss trug. Offensichtlich hatten die beiden irgendetwas miteinander zu tun, wie Deborah aus dem schmachtenden Blick schloss, mit dem der Mann der Frau in die Augen schaute, als sie sich noch einmal umdrehte, um ihm etwas zu sagen.
»Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden?«, sagte Nicholas zu Deborah und lief zu der Frau hinüber. Die wirkte alles andere als erfreut über die Begegnung, denn sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick. Sie sagte etwas zu dem Mann in der Schürze, der daraufhin erst sie, dann Nicholas musterte und dann in dem Imbiss verschwand.
Nicholas sagte etwas zu der Frau, die ihm schweigend zuhörte, während Deborah sich langsam den beiden näherte in der Hoffnung, etwas von dem Gespräch aufzuschnappen.
»… geht dich nichts an«, sagte Niamh gerade. »Und Manette ebenso wenig.«
»Natürlich nicht.« Nicholas klang freundlich und umgänglich. »Aber sie gehören nun mal zur Familie, Niamh, und du wirst verstehen, dass sie sich Sorgen macht. Und ich auch.«
»Sie gehören zur Familie?«, sagte Niamh sarkastisch. »Dass ich nicht lache. Was habt ihr denn unternommen, als er abgehauen ist? Gehörten sie auch zu eurer Familie, als er unsere zerstört hat?«
Nicholas schien peinlich berührt. »Ich wüsste nicht, wie wir das hätten verhindern können.«
»Ach nein? Dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen. Dein verdammter Vater hätte ihm androhen können, dass er ihn aus der Firma wirft, wenn er nicht zur Vernunft kommt! Dein verdammter Vater hätte ihm sagen können, wenn du das tust, bin ich fertig mit dir! Und ihr anderen hättet dasselbe tun können. Aber das habt ihr nicht, weil Ian euch alle unter Kontrolle …«
»Das stimmt nicht«, fiel Nicholas ihr ins Wort.
»Keiner von euch hat es je gewagt, sich mit ihm anzulegen. Keiner! «
»Hör zu, ich will mich nicht darüber streiten. Wir sind in mancher Hinsicht einfach unterschiedlicher Meinung, das ist alles. Ich wollte dir nur sagen, dass es Tim wirklich dreckig geht und …«
»Glaubst du etwa, das wüsste ich nicht? Ich, die ich eine Schule für ihn finden musste, wo seine Mitschüler nicht mit dem Finger auf ihn zeigen, weil sein Vater es heimlich mit einem Scheißaraber getrieben hat? Ich weiß, dass es ihm dreckig geht, und ich werde mich darum kümmern. Haltet euch gefälligst aus unserem Leben raus! Das habt ihr ja auch getan, als Ian noch gelebt hat!«
Damit drehte sie sich um und stöckelte auf die Autos zu, die am Straßenrand geparkt standen. Nicholas blieb einen
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