Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
anvertrauen konnte. Er trank einen Schluck Kaffee, stellte seine Tasse ab und sagte: »Bei ihr waren es Dessous.«
»Dessous?«
»Alatea hat als Dessous-Model gearbeitet. Für Kataloge. Und für Werbeanzeigen in Zeitschriften.«
Deborah lächelte. »Und sie möchte nicht, dass ich davon erfahre? Aber das ist doch nichts Ehrenrühriges, Mr. Fairclough. Und ehrlich gesagt, sie hat die Figur dafür, sie ist eine schöne Frau und …«
»Sexy Dessous«, sagte er. Er ließ einen Augenblick verstreichen, vielleicht, um Deborah Zeit zu geben, sich über die Bedeutung dieser Information klarzuwerden. »Es ging um Kataloge für Leute mit einem speziellen Geschmack, verstehen Sie? Anzeigen in ganz bestimmten Zeitschriften. Es war nicht … sie waren nicht … Ich meine, es ging da nicht gerade um Edelmode. Heute ist ihr das alles unglaublich peinlich, und sie hat Angst, dass jemand davon erfahren und sie demütigen könnte.«
»Verstehe. Also, da können Sie Ihre Frau wirklich beruhigen. Ich interessiere mich nicht im Geringsten für ihre Vergangenheit.« Sie schaute aus dem Fenster, das zum Marktplatz hin gelegen war. Dort herrschte Hochbetrieb, und vor einem dunkelgrünen Imbisswagen mit der weißen Aufschrift Sue’s Hot Food Bar hatte sich eine Schlange gebildet. An mehreren Campingtischen saßen Leute und ließen sich die dampfenden Gerichte schmecken, die Sue auf Pappteller schaufelte.
»Ich dachte, dass ich sie auf die Zeitschrift Conception angesprochen habe, hätte Ihre Frau so aus dem Häuschen gebracht«, sagte Deborah. »Aber da habe ich wohl von mir auf andere geschlossen. Ich hätte das Thema nicht anschneiden sollen. Richten Sie ihr doch bitte aus, dass es mir leidtut.«
»Nein, das war es nicht«, entgegnete Nicholas. »Sie wünscht sich ein Kind, das ist richtig, doch eigentlich bin ich im Moment derjenige, der dauernd davon anfängt, und das macht sie ein bisschen empfindlich. Das Problem ist diese Geschichte mit den Dessous und ihre Angst, dass die Fotos irgendwann irgendwo auftauchen könnten.«
Er schaute aus dem Fenster und betrachtete den Imbissstand und die Tische davor, und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Sein Blick wurde eisig, und er sagte: »Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.« Ehe Deborah etwas erwidern konnte, war er schon draußen.
Er ging auf einen Mann zu, der an einem der Tische saß und aß. Der Mann zog den Kopf ein, offenbar in der vergeblichen Hoffnung, dass Nicholas ihn nicht sehen würde. Als Nicholas ihn an der Schulter packte, stand er auf.
Der Mann war ein Hüne, mindestens zwei Meter groß. Beim Aufstehen stieß er mit dem Kopf an den Sonnenschirm, der über dem Tisch aufgespannt war, so dass ihm seine Mütze herunterrutschte und sein feuerrotes Haar zum Vorschein kam.
Deborah nahm ihre Kamera aus der Tasche, während der Mann vom Tisch wegtrat und sich anhörte, was Nicholas ihm zu sagen hatte. Nicholas schien vor Wut zu kochen. Der Mann zuckte die Achseln.
Deborah hob ihre Kamera und begann, die beiden miteinander streitenden Männer zu fotografieren.
KENSINGTON – LONDON
Barbara Havers kam sich vor wie ein Glückspilz, als das Taxi von Portland Place nur bis Rutland Gate, südlich von Hyde Park fuhr. Genauso gut hätte die Adresse in Wapping oder noch weiter draußen liegen können. Zwar hätte Lynley ihr die Fahrtkosten sicherlich erstattet, aber sie hätte gar nicht genug Bares dabei gehabt, um eine längere Fahrt zu bezahlen, und sie bezweifelte, dass der Fahrer einen Zungenkuss als Entgelt akzeptiert hätte. An all das hatte sie gar nicht gedacht, als sie frohgemut in das Taxi gestiegen war, aber sie hatte erleichtert aufgeatmet, als der Fahrer in Richtung Westen gefahren und schließlich kurz hinter dem Hochhaus der Hyde Park Barracks links abgebogen war.
Er zeigte auf eine imposante weiße Stadtvilla. Die vielen Klingelschilder neben dem Eingang ließen erkennen, dass das Haus in Eigentumswohnungen umgewandelt worden war. Barbara stieg aus und bezahlte den Fahrer, der ihr noch mit einem Augenzwinkern erzählte, dass das Paar jedes Mal hier ausgestiegen sei und dass offenbar beide einen Hausschlüssel besaßen, wie er beobachtet hatte.
Nachdem das Taxi weggefahren war, überlegte Barbara, wie sie weiter vorgehen sollte.
Wohnungen bedeutete, dass sie den Namen des entsprechenden Eigentümers erst in Erfahrung bringen musste. Sie zündete sich eine Zigarette an und ging vor dem Haus auf und ab. Das Nikotin, sagte sie sich, würde sie
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