Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
unser Besucher in Wirklichkeit ist. Hättest du mir seine Identität vorenthalten wollen, hättest du dir besser ein Pseudonym für ihn ausgedacht, Dad.«
»Niemand hat dir irgendetwas vorenthalten, Mignon«, sagte Fairclough. »Tommy ist hier als mein Gast. Die Tatsache, dass er außerdem Polizist ist, hat nichts …«
»Er ist Detective«, fiel sie ihm ins Wort, »und zwar bei Scotland Yard, Dad, und ich gehe davon aus, dass du das weißt. Du hast ihn hierher eingeladen, und jetzt schleicht er zusammen mit diesem anderen Typen hier auf dem Gelände herum – also, ich kann immer noch zwei und zwei zusammenzählen.« Sie änderte ihre Sitzposition und schaute Lynley an. Ihre Mutter war einen Schritt zurückgetreten und stand stumm da, das Handtuch in der Hand. »Sie führen also hier still und heimlich eine kleine Ermittlung durch. Im Auftrag von …? Doch nicht von Dad, oder?«
»Mignon«, sagte Fairclough.
»Denn das würde bedeuten, dass Dad unschuldig ist«, fuhr sie unbeirrt fort. »Und das halte ich, ehrlich gesagt, für ziemlich unwahrscheinlich.«
»Mignon!«, stieß Valerie hervor. »Wie kannst du so etwas sagen!«
»Dad hätte einen guten Grund gehabt, unseren lieben Ian um die Ecke zu bringen, stimmt’s, Dad?«
Fairclough antwortete seiner Tochter nicht. Sein Blick verriet nichts. Entweder er war solche Konfrontationen mit ihr gewöhnt, oder er wusste, dass sie nicht mehr preisgeben würde. Einen Moment lang herrschte angespannte Stille. Der Wind fegte irgendetwas gegen die Fenster des kleinen Salons. Valerie zuckte zusammen.
»Aber das gilt auch für mich«, sagte Mignon schließlich. »Nicht wahr, Dad?« Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, es war nicht zu übersehen, dass sie die Situation genoss. Sie schaute ihren Vater an und sagte zu Lynley: »Dad weiß nicht, dass ich weiß, dass Ian meine Unterhaltszahlungen einstellen wollte, Thomas. Unser guter Ian hat immer über den Büchern gebrütet und nach Möglichkeiten gesucht, Kosten einzusparen. Tja, und ich verursache nun mal ziemlich hohe Kosten. Allein der Turm hat ein Vermögen verschlungen, und seine Instandhaltung ist nicht gerade billig. Plus mein monatlicher Unterhalt. Und wie Sie mit Ihrem detektivischen Spürsinn herausgefunden haben werden, macht es mir Spaß, Geld auszugeben. Im Vergleich zu dem, was Dad über die Jahre mit der Firma verdient hat, brauche ich gar nicht viel. Doch Ian fand, dass ich selbst das bisschen nicht verdient hatte. Ich muss meinem Vater zugutehalten, dass er Ian nie beigepflichtet hat. Aber wir wissen beide – Dad und ich –, dass er es sich jederzeit hätte anders überlegen und seine Zahlungen an mich hätte einstellen können. Habe ich recht, Dad?«
Fairclough saß da mit versteinerter Miene. Valerie verfolgte das Geschehen sehr aufmerksam. Das war aufschlussreicher für Lynley als alle Informationen, die sie ihm freiwillig gegeben hätte.
»Valerie«, sagte Bernard schließlich, ohne den Blick von seiner Tochter abzuwenden. »Ich glaube, es ist Zeit fürs Abendessen, meinst du nicht auch? Mignon möchte jetzt gehen.«
Mignon lächelte. Sie kippte ihren Sherry und sagte spitz: »Ich glaube, ich brauche Hilfe auf dem Weg dorthin, Dad.«
»Ich bin überzeugt, dass du das sehr gut alleine schaffst«, entgegnete ihr Vater.
8. November
AUF DEM WEG VON CHALK FARM NACH VICTORIA – LONDON
Barbara schrie auf, als sie sich im Spiegel sah. Sie war am frühen Morgen schlaftrunken ins Bad gestolpert und hatte ganz vergessen, dass ihr Erscheinungsbild sich vollkommen verändert hatte. Ihr blieb fast das Herz stehen, und sie fuhr herum, bereit, es mit der Frau aufzunehmen, die sie in einem Winkel des Spiegels entdeckt hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, aber sie fühlte sich wie eine Idiotin, als sie zur Besinnung kam und alle Ereignisse des Vortags über ihr zusammenschlugen wie eine heiße Welle aus Scham und etwas anderem, das sie nicht genau definieren konnte.
Nachdem sie das Haus aufgesucht hatte, in dem Vivienne Tully wohnte, hatte sie Angelina Upman auf dem Handy angerufen und ihr gesagt, sie sei gerade in Kensington, und es sehe so aus, als müsse sie diesen Frisörtermin absagen, da der Weg nach Chalk Farm einfach zu weit sei. Aber Angelina hatte entgegnet, von Kensington nach Knightsbridge sei es ja nur ein Katzensprung. Sie würden sich eben gleich dort treffen, anstatt gemeinsam hinzufahren. Dann war Hadiyyah plötzlich in der Leitung gewesen, anscheinend hatte sie ihrer Mutter das Handy
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