Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
ihren Mini an und fuhr in Richtung Westminster und hoffte inständig, dass sie in den Korridoren von New Scotland Yard möglichst wenigen ihrer Kollegen über den Weg laufen würde.
Anfangs hatte sie, was ihre diesbezüglichen Ängste anging, einigermaßen Glück. Die einzigen Personen, denen sie begegnete, waren Winston Nkata und die Abteilungssekretärin Dorothea Harriman. Dorothea, schon immer der Inbegriff der Eleganz und Expertin in allen Mode- und Kosmetikfragen, blieb in ihren Zwölf-Zentimeter-Stilettos wie angewurzelt stehen und rief aus: »Großartig, Detective Sergeant! Absolut großartig! Wer hat Ihnen denn diese schicke Frisur verpasst?« Sie berührte Barbaras Haare mit ihren schlanken Fingern. »Und dieser Glanz. Traumhaft. Unser Detective Superintendent Ardery wird ganz entzückt sein, warten Sie’s ab.«
Abzuwarten war das Letzte, wonach Barbara der Sinn stand. »Danke, Dee«, sagte sie. »Mal was anderes, was?«
» Anders ist gar kein Ausdruck!«, erwiderte Dorothea. »Sie müssen mir unbedingt den Namen des Frisörs verraten. Würden Sie das tun?«
»Na klar«, sagte Barbara. »Warum denn nicht?«
»Also, manche Frauen würden das nie tun, wissen Sie. Man schützt sich halt vor der Konkurrenz …« Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete das Meisterwerk mit einem Seufzer. »Da werd ich ganz grün vor Neid.«
Darüber, dass Dorothea Harriman sie um ihre Frisur beneiden könnte, hätte Barbara am liebsten schallend gelacht, ebenso wie über die Vorstellung, sie könnte sich mit Hilfe der von oben verordneten Runderneuerung einen Mann angeln. Aber sie beherrschte sich und nannte Dorothea den Namen des Frisörs und die Adresse des Salons in Knightsbridge. Der Salon war garantiert nach Dorotheas Geschmack, dachte Barbara, die vermutete, dass die Sekretärin viel Zeit in Knightsbridge verbrachte und dort einen Großteil ihrer Gehalts ausgab.
Winston Nkatas Reaktion fiel weniger überschwänglich aus, und dafür war Barbara dankbar. »Sieht gut aus, Barb«, sagte er. »Hat die Chefin dich schon gesehen?«
»Ich hatte eigentlich gehofft, ihr aus dem Weg zu gehen. Also, falls du sie siehst, ich bin nicht hier, okay? Ich muss nur mal eben an den Polizeicomputer und ein paar Sachen überprüfen.«
» DI Lynley?«
»Nicht weitersagen!«
Nkata versprach, ihr so gut es ging Deckung zu geben, aber man konnte natürlich nie wissen, wann Isabelle Ardery irgendwo auftauchte. »Am besten legst du dir schon mal irgendeine passende Geschichte zurecht«, riet er Barbara. »Es passt ihr nämlich gar nicht in den Kram, dass der Inspector abgehauen ist, ohne ihr zu verraten, wohin.«
Barbaras Augen wurden schmal. Sie fragte sich, was Nkata über Lynley und Isabelle Ardery wusste. Doch Nkatas Gesichtsausdruck verriet nichts, und obwohl das bei ihm die Regel war, neigte Barbara zu der Annahme, dass seine Bemerkung sich nur auf das Offensichtliche bezog: Lynley gehörte zu Arderys Team, und sie war sauer darüber, dass Hillier ihn für einen Fall abgezogen hatte, der außerhalb ihrer Zuständigkeit lag.
Barbara suchte sich einen unauffälligen Platz, wo sie sich in den Polizeicomputer einloggen konnte. Als Erstes sammelte sie alle verfügbaren Informationen über Vivienne Tully, was ziemlich einfach war. Die Frau war in Wellington, Neuseeland geboren, war in Auckland zur Schule gegangen und hatte auch dort studiert und später an der London School of Economics einen hervorragenden Abschluss gemacht. Sie war Hauptgeschäftsführerin bei Precision Gardening, einer Firma, die Gartenwerkzeug herstellte – kein besonders glamouröser Job, dachte Barbara –, und sie saß im Aufsichtsrat der Fairclough Foundation. Kurz darauf stieß Barbara auf eine weitere Verbindung zu Bernard Fairclough. Mit Anfang zwanzig war Vivienne Tully Bernard Faircloughs Chefsekretärin bei Fairclough Industries in Barrow-in-Furness gewesen. Nachdem sie bei Fairclough Industries aufgehört und bevor sie bei Precision Gardening angefangen hatte, war sie als freiberufliche Wirtschaftsberaterin tätig gewesen, was in der modernen Geschäftswelt, so vermutete Barbara, entweder heißen konnte, dass sie versucht hatte, eine eigene Firma auf die Beine zu stellen, oder dass sie vier Jahre lang arbeitslos gewesen war. Derzeit war sie dreiunddreißig Jahre alt, und auf einem Foto hatte sie modisch struppiges Haar, war eher jungenhaft gekleidet und wirkte außerordentlich intelligent. Ihr Blick besagte, dass sie Schwächlinge unerträglich
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