Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Einfall, ihn Bernie zu nennen, dachte sie. »… meinte, sie fühlt sich sehr wohl hier im Haus.«
»Ja, das kann ich bestätigen«, sagte der Portier. »Eine sehr nette Frau, möchte ich meinen. Denkt Weihnachten immer an mich, und das kann ich nicht von allen hier behaupten.« Er schaute kurz zum Fernseher hinüber und schluckte. Barbara sah, dass auf einem Tischchen neben einem Sessel ein Teller mit Bohnen auf Toast wartete. Zweifellos wollte er sich nicht nur seinem Abendessen, sondern auch Sandra, Troy und ihrer verbotenen Liebe widmen. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Leidenschaftliche und verbotene Liebe machten das Leben doch erst interessant …
LAKE WINDERMERE – CUMBRIA
Lynley trank gerade einen Aperitif mit Valerie und Bernard Fairclough, als Mignon plötzlich vor ihnen stand. Sie saßen in einem Zimmer, das Valerie als Salon bezeichnet hatte, wo ein Kohlefeuer im Kamin brannte und die Kälte vertrieb. Da keiner von ihnen gehört hatte, wie Mignon ins Haus gekommen war, waren sie alle ziemlich überrascht, als die Tür aufflog.
Mignon schob ihren Rollator vor sich her. Es hatte wieder angefangen zu regnen, aber Mignon hatte sich ohne Regenmantel auf den Weg gemacht – und zwar mit voller Absicht, wie Lynley vermutete. Ihre Haare klebten ihr am Kopf, aus ihrem Alice-im-Wunderland-Haarband lief ihr das Wasser über die Stirn in die Augen, und ihre Kleider und Schuhe waren vollkommen durchnässt. Wahrscheinlich hatte sie sich für diesen dramatischen Auftritt eine ganze Weile in den strömenden Regen gestellt. Bei ihrem Anblick sprang ihre Mutter entsetzt auf. Lynley erhob sich höflich.
»Mignon!«, rief Valerie aus. »Warum hast du denn keinen Schirm mitgenommen?«
»Ich kann ja wohl schlecht einen Schirm halten, wenn ich dieses Ding hier benutze«, erwiderte Mignon und verwies auf ihren Rollator.
»Ein Regenmantel hätte auch ausgereicht«, sagte ihr Vater. Lynley fiel auf, dass er nicht aufgestanden war. Anscheinend durchschaute er Mignons Masche.
»Daran hab ich nicht gedacht«, sagte Mignon.
»Komm«, sagte Valerie, »setz dich ans Feuer, Liebes. Ich hole dir ein Handtuch.«
»Lass nur«, entgegnete Mignon. »Ich gehe gleich wieder zurück. Ihr esst doch gleich zu Abend, oder? Da ich für heute nicht eingeladen bin, möchte ich euch nicht unnötig stören.«
»Du brauchst doch keine Einladung«, sagte Valerie. »Du bist hier immer willkommen. Aber da du lieber … wegen …« Es war klar, dass sie in Lynleys Gegenwart nicht mehr sagen wollte.
Mignon dagegen schon. »Ich wurde wegen Adipositas operiert, Thomas. Ich war fett wie eine Kuh. Sie machen sich keine Vorstellung. Das Fett, das ich über zwanzig Jahre mit mir rumgeschleppt habe, hat mir die Knie ruiniert. Die werden als Nächstes ersetzt. Dann bin ich wieder so gut wie neu, und dann kommt bestimmt bald ein netter Mann vorbei und erlöst meine Eltern von meiner Last. Das hoffen sie zumindest.«
Sie durchquerte das Zimmer und setzte sich in den Sessel, den ihre Mutter ihr angeboten hatte. »Ich könnte einen Sherry vertragen«, sagte sie zu ihrem Vater. Dann wandte sie sich an Lynley: »Anfangs dachte ich, deswegen wären Sie hier. Dumm von mir, ich weiß, aber Sie dürfen nicht vergessen, wer mein Vater ist. Der führt immer etwas im Schilde. Als ich Sie gesehen habe, wusste ich sofort, dass Sie Teil eines seiner Pläne sind. Ich habe mich nur in der Natur des Plans geirrt und gedacht, Sie wären meinetwegen gekommen.«
»Also wirklich, Mignon«, sagte ihre Mutter.
»Ich glaube, ich hätte jetzt doch gern ein Handtuch.« Es schien Mignon zu gefallen, ihre Mutter springen zu lassen, denn sie lächelte voller Genugtuung, als Valerie aus dem Zimmer eilte. Ihr Vater hatte sich immer noch nicht gerührt, und sie sagte zu ihm: »Bekomme ich denn nun einen Sherry, Dad?«
Bernard, dachte Lynley, sah aus, als wäre er drauf und dran, etwas zu sagen, was er später bedauern würde. Unter anderen Umständen hätte Lynley abgewartet, um zu erfahren, um was es sich handelte, aber sein Anstandsgefühl gewann die Oberhand. Er stellte sein Glas auf einem Beistelltisch ab und machte Anstalten, sich zu erheben. »Bleiben Sie sitzen, ich mache das schon«, sagte Bernard.
»Gib mir einen großen«, sagte Mignon. »Ich hatte gerade ein aufregendes Liebesintermezzo mit Mr. Seychellen und würde mich gern volllaufen lassen, sozusagen statt der Zigarette danach.«
Fairclough sah seine Tochter so unverhohlen angewidert an, dass Mignon lachte.
»Ist
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