Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
aus der Hand gerissen. »Du kannst das nicht absagen, Barbara. Außerdem hast du doch den Befehl von deiner Chefin, oder? Und es tut ja auch nicht weh!« Dann hatte sie in verschwörerischem Ton hinzugefügt: »Und hinterher gehen wir zum Tee ins Dorchester. Mummy sagt, da ist einer, der die ganze Zeit Klavier spielt, und ein Kellner geht rum mit einem silbernen Tablett voll Sandwiches, und es gibt frische Scones, die noch warm sind, und ganz leckeren Kuchen.«
Barbara ließ sich widerstrebend darauf ein. Also gut, sie würden sich in Knightsbridge treffen. Was würde sie nicht alles tun, um Sandwiches auf einem Silbertablett serviert zu bekommen …
Ein Pop-Psychologe, dachte Barbara, hätte das große Ereignis im Frisörsalon als Erfahrung bezeichnet, an der man wächst. Angelinas Beschreibung von Dusty hatte sich als vollkommen zutreffend erwiesen. Nachdem Barbara im Stuhl eines seiner Lehrlinge Platz genommen hatte, war er herübergekommen und hatte nach einem kurzen Blick auf ihren Kopf theatralisch gestöhnt: »O Gott! Aus welchem Jahrhundert stammen Sie denn?« Er war dünn, sah gut aus, hatte in Spitzen abstehende Haare und eine für November ungewöhnlich gesunde Bräune, die er sich nur in einem Solarium erworben haben konnte. Ehe Barbara auf seine Bemerkung hatte kontern können, hatte er seinen Lehrling angewiesen: »Kürzen, Strähnchen mit einszweiundachtzig und vierundsechzig. Und ich werde mir Ihr Werk ansehen, wenn es fertig ist.« Dann hatte er zu Barbara gesagt: »Also wirklich, so lange, wie Sie schon damit rumlaufen, hätten Sie auch noch die sechs Wochen warten können, dann hätte ich das selbst übernommen. Womit in aller Welt waschen Sie sich die Haare, wenn man fragen darf?«
» Fairy Liquid .«
»Sie belieben zu scherzen. Aber ich nehme an, Sie kaufen das Zeug im Supermarkt, oder?«
»Wo sollte ich mir denn wohl sonst mein Shampoo kaufen?«
Er hatte entsetzt die Augen verdreht. »Gott.« Dann hatte er zu Angelina gesagt: »Sie sehen bezaubernd aus, wie immer«, hatte ihr ein Küsschen auf die Wange gehaucht und Barbara seinem Lehrling überlassen. Hadiyyah hatte er gänzlich ignoriert.
Es hatte eine Ewigkeit gedauert, und es war die Hölle gewesen, und als Dustys Lehrling mit Barbara fertig war, hatte sie einen modischen Kurzhaarschnitt mit blonden und rötlichen Strähnchen. Der Lehrling – nicht Cedric, sondern eine junge Frau aus Essex, die trotz ihrer vier Lippenpiercings und der Schultertattoos sehr sympathisch war – hatte ihr dringend vom Gebrauch ihres vertrauten Fairy Liquid abgeraten und ihr stattdessen eine Flasche eines sündhaft teuren Elixirs aufgeschwatzt, dessen »Pflegeformel … mehr Leuchtkraft, bis zu sieben Wochen Farbschutz und perfekte Kämmbarkeit« versprach – und dazu einen spannenderen Freundeskreis.
Mit Grausen hatte Barbara die Rechnung bezahlt und sich gefragt, wie es möglich war, dass Frauen regelmäßig so viel Kohle für etwas zum Fenster hinauswarfen, das sie genauso gut selbst in der Dusche erledigen konnten.
Beim Duschen am nächsten Morgen hatte sie sich den Kopf mit Frischhaltefolie umwickelt, um ihre teure Frisur vor dem Wasser zu schützen. Als sie später in einer weiten Flanellhose mit Gummizug und einem ausgebeulten Kapuzen-Sweatshirt an der Anrichte stand und sich einen Erdbeer-Pop-Tart toastete, hatte sie plötzlich Hadiyyas Stimme gehört, und gleich darauf hatte das Mädchen auch schon an Barbaras Tür geklopft.
»Bist du da? Bist du da?«, rief Hadiyyah aufgeregt. »Ich habe Daddy mitgebracht, damit er sich deine neue Frisur ansehen kann!«
»O nein«, flüsterte Barbara. Sie war noch nicht bereit, jemandem unter die Augen zu treten, am allerwenigsten Taymullah Azhar, dessen Stimme sie durch die Tür hörte, auch wenn sie nicht verstehen konnte, was er sagte. Sie hielt den Atem an und wartete in der Hoffnung, Hadiyyah würde annehmen, dass sie schon zur Arbeit gefahren war. Was natürlich Unsinn war, denn es war noch nicht einmal acht Uhr, und selbst wenn Hadiyyah Barbaras Gewohnheiten nicht genau kennen würde, hätte sie ihren Mini sehen müssen, der vor dem Haus stand. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als die Tür aufzumachen.
»Siehst du, Dad? Siehst du?«, rief Hadiyyah. »Mummy und ich waren gestern mit Barbara bei Mummys Frisör. Sieht Barbara nicht hübsch aus? Alle im Dorchester haben sie angekuckt.«
»Ah, ja«, sagte Azhar. Barbara wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Sie sagte: »Mal was anderes, was?
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