Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Titel: Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
dir das peinlich?«, fragte sie. »Ach, das tut mir aber leid.«
    Ihr Vater füllte ein großes Glas mit Sherry. Die Menge, dachte Lynley, würde durchaus für einen Vollrausch ausreichen, falls die Frau das Glas austrank, und sie schien tatsächlich die Absicht zu haben.
    Als Fairclough seiner Tochter das Glas reichte, kam Valerie mit dem Handtuch. Sie ging zu Mignon und trocknete ihr zärtlich das Haar. Lynley rechnete damit, dass Mignon ihre Mutter ärgerlich wegstoßen würde, aber das tat sie nicht. Im Gegenteil, sie ließ sich genüsslich Haare, Gesicht und Hals abtrocknen.
    Sie sagte: »Meine Mutter kommt mich nie besuchen, wussten Sie das, Thomas? Also, sie kommt schon rüber, um mir mein Essen zu bringen – wie die Schlossherrin, die den Armen Almosen bringt –, aber einfach so zum Plaudern? Das ist seit Jahren nicht mehr passiert. Und als sie heute plötzlich dastand, war ich völlig von den Socken. Ich dachte, was kann die Gute nur wollen?«
    Valerie ließ das Handtuch sinken. Sie schaute ihren Mann an. Er sagte nichts. Sie schienen sich beide für irgendeinen Angriff zu wappnen, und Lynley fragte sich, wie in aller Welt sie sich ihrer eigenen Tochter gegenüber in diese Position gebracht hatten.
    Mignon trank einen ordentlichen Schluck Sherry. Sie hielt das Glas mit beiden Händen wie ein Priester den Kelch. »Sehen Sie, meine Mutter und ich haben uns einfach nichts zu sagen«, fuhr sie fort. »Sie interessiert sich nicht für mein Leben, und ich interessiere mich nicht für ihres, glauben Sie mir. Da gibt es dann nicht viel Gesprächsstoff. Man tauscht sich übers Wetter aus und dann? Worüber soll man noch reden? Abgesehen von ihrem langweiligen Formschnittgarten und ihrem noch langweiligeren Fantasiegarten?«
    Endlich griff ihr Vater ein. »Mignon, bist du gekommen, um mit uns zu Abend zu essen, oder hat dein Besuch einen anderen Grund?«
    »Treib mich nicht in eine Enge«, sagte Mignon. »Du wirst es bereuen.«
    »Darling«, sagte ihre Mutter.
    »Ich bitte dich. Falls es einen Darling in der Familie gibt, wissen wir doch beide, dass ich das nicht bin.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Gott.« Mignon verdrehte die Augen. »Es heißt immer nur Nicholas hier, Nicholas dort, seit dem Tag, an dem er geboren wurde, glauben Sie mir, Thomas. Endlich der ersehnte Sohn! Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich will über diesen erbärmlichen kleinen Krüppel reden.«
    Lynley verstand nicht gleich, was sie meinte. Er dachte natürlich an St. James, der behindert war seit einem Unfall, den er, Lynley, verursacht hatte. Den Mann, mit dem er seit der Schulzeit befreundet war, als erbärmlich und klein zu bezeichnen, war indes so unpassend, dass er glaubte, Mignon redete von jemand ganz anderem. Sie belehrte ihn eines Besseren, als sie fortfuhr.
    »Meine Mutter ist nicht so lange bei mir geblieben, wie sie es Ihrem Auftrag gemäß hätte tun sollen. Und nachdem sie weg war, habe ich mich gefragt, was sie bei mir gewollt hatte, und es war wirklich nicht schwer, das zu erraten. Ich habe euch alle vom Bootshaus raufkommen sehen. Dich, Dad, Sie, Thomas, und diesen Krüppel. Und mit den nassen Haaren und dem Handtuch um die Schultern sah Thomas ganz so aus, als wäre er ins Wasser gefallen. Aber nicht der Krüppel. Der war trocken. So wie du, Dad.« Sie trank noch einen kräftigen Schluck Sherry, dann fuhr sie fort: »Das Handtuch sagte mir, dass Thomas nicht aus Versehen ausgerutscht und ins Wasser gefallen war. Seine Kleider waren nämlich trocken. Das bedeutet, dass er absichtlich ins Wasser gesprungen ist. Da die Badesaison längst vorbei ist, muss er also einen anderen Grund dafür gehabt haben. Und ich nehme an, dass der Grund etwas mit Ian zu tun hat. Na, wie bin ich?«
    Lynley spürte, dass Fairclough ihn ansah. Valerie schaute abwechselnd ihre Tochter und ihren Mann an. Lynley sagte nichts. Er wollte Fairclough die Entscheidung überlassen, ob er die Vermutungen seiner Tochter bestätigen oder bestreiten wollte. Er selbst hielt es für klüger, die Karten auf den Tisch zu legen, was die Gründe für seine Anwesenheit in Ireleth Hall anging, anstatt weiterhin eine Scharade zu spielen.
    Aber Fairclough sagte nichts. Offenbar interpretierte sie sein Schweigen als Bestätigung. »Du glaubst also nicht, dass Ians Tod ein Unfall war, hab ich recht, Dad? Das war jedenfalls das Erste, was ich dachte, als ich euch drei vom See raufkommen sah. Ich habe übrigens nur wenige Sekunden gebraucht, um im Internet rauszufinden, wer

Weitere Kostenlose Bücher