Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
hereinschneien sollte. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, drückte ein paar Tasten und las etwas auf dem Bildschirm, wahrscheinlich eine E-Mail. »Ach Gott«, sagte sie. »Der Typ geht mir allmählich auf die Nerven. Wir haben jetzt das Stadium erreicht, wo wir die Unmöglichkeit unserer Liebe erkennen, und wenn die Männer erst mal so weit sind, ist nur noch Heulen und Zähneknirschen angesagt. Dann wird’s langweilig.« Sie seufzte. »Dabei hatte ich so große Hoffnungen in ihn gesetzt. Es sah wirklich so aus, als könnte ich mich mindestens ein Jahr lang mit ihm amüsieren, vor allem, als er angefangen hat, mir Fotos von seinem Geschlechtsteil zu schicken. Aber was soll ich sagen? Wenn sie fallen, dann fallen sie tief.« Sie tippte etwas ein und murmelte: »Ciao, Süßer. Schade, schade, das Leben ist ungerecht, und so weiter und so fort.«
»Ich will mit dir reden«, sagte Manette.
»Das habe ich mir schon gedacht. Es sieht dir nicht ähnlich, einfach so vorbeizukommen. Zumindest hast du das schon ewig nicht mehr getan. Das bedrückt mich, weißt du. Wir haben uns doch früher so nahgestanden, du und ich.«
»Merkwürdig«, antwortete Manette, »daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Ach, das wundert mich nicht. Als du Freddie kennengelernt hast, hat sich für dich alles nur noch um ihn gedreht und um die Frage, wie du den armen Mann in den Hafen der Ehe locken konntest. Natürlich war er ein Notnagel, aber das konnte er ja nicht wissen. Es sei denn, du hast in der Erregung hin und weder den falschen Namen gestöhnt. Oder hast du das etwa getan? Ist es deswegen aus zwischen dir und Freddie?«
Manette biss nicht an. »Dad ist dabei, sich finanziell zu ruinieren. Ich weiß, dass er deinen Unterhalt erhöht hat. Darüber will ich mit dir reden.«
»Ah, die wirtschaftliche Lage«, sagte Mignon. »Immer diese Schwankungen.«
»Spar dir den Sarkasmus. Kloschüsseln und Waschbecken werden immer gebraucht, so oder so. Aber es dürfte dich interessieren, dass Freddie seit Ians Tod dabei ist, die Bücher zu überprüfen. Wir wissen, was Dad dir jeden Monat zahlt. Das muss aufhören.«
»Ach ja? Und warum? Hast du Angst, dass ich alles Geld verschleudere, bis nichts mehr für dich übrig ist?«
»Ich glaube, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt, Mignon. Ich weiß, dass Dad deine Unterhaltszahlungen erhöht hat – es steht schwarz auf weiß in den Büchern. Das ist lächerlich. Du brauchst das Geld überhaupt nicht. Du bist rundherum versorgt. Du musst ihn von dieser Pflicht entbinden.«
»Hast du auch schon mit Nick geredet, dem Augenstern unseres Vaters, seit er das Licht der Welt erblickt hat?«
»Herrgott noch mal, ich war ebenso wenig der heiß ersehnte Sohn wie du! Kannst du eigentlich an nichts anderes denken? Willst du bis in alle Ewigkeit darüber lamentieren, dass Dad dich nicht genug geliebt hat? Seit Nick auf der Welt ist, bist du eifersüchtig auf ihn.«
»Während du nicht mal weißt, wie man Eifersucht schreibt?« Mignon kam zurück in den Wohnbereich, suchte sich ihren Weg zwischen all den Kisten und Kartons mit Dingen, die sie online bestellt hatte, und setzte sich wieder in ihren Sessel. »Ich weiß meine Eifersucht, wie du es nennst, wenigstens gewinnbringend zu nutzen.«
»Wovon redest du?« Manette bemerkte die Falle zu spät.
Mignon lächelte wie eine erfolgreiche schwarze Witwe, die auf das Männchen wartet. »Von Ian natürlich. Du hast immer nur Ian geliebt, und alle haben es gewusst. Und jahrelang haben alle hinter deinem Rücken getuschelt. Freddie war nur ein Ersatz, und auch das haben alle gewusst, der arme Freddie eingeschlossen. Der Mann ist ein Heiliger. Oder sonst was.«
»Dummes Zeug.«
»Was? Dass er ein Heiliger ist? Oder dass er sonst was ist? Dass du Ian geliebt hast oder dass Freddie es gewusst hat? Also, du wirst doch wohl nicht bestreiten, dass du Ian geliebt hast, Manette. Gott, es muss dich vollkommen umgehauen haben, als Niamh aufgekreuzt ist. Wahrscheinlich bist du selbst jetzt noch davon überzeugt, dass dieses Miststück Ian in die Arme von Männern getrieben hat.«
»Wenn du dein Gedächtnis ein bisschen bemühst«, sagte Manette ruhig, obwohl sie innerlich kochte, »wirst du auf einen kleinen Fehler in deiner Rechnung stoßen.«
»Und der wäre?«
»Als Ian sich für Niamh entschieden hat, war ich bereits mit Freddie verheiratet.«
»Wir sollten uns nicht an belanglosen Details aufhalten«, sagte Mignon. »Du wolltest Ian schließlich nicht
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