Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Du rufst mich doch an, falls irgendetwas ist, oder?«
»Auf jeden Fall, Inspector.« Sie beendete das Gespräch. Sie schaute Zed Benjamin an, um zu sehen, ob er Verdacht geschöpft hatte. Er war dabei, so tief wie möglich in seinen Sitz zu rutschen, und deutete mit dem Kinn zu dem Invalidenheim. Alatea und ihre Begleiterin fuhren gerade auf den Parkplatz.
Deborah und Zed blieben, wo sie waren. Weniger als eine Minute später kam Alateas Begleiterin um die Ecke und ging zurück ins Gebäude. Kurz darauf bog Alatea vom Parkplatz in die Straße ein und fuhr in Richtung Arnside, wie Deborah erleichtert feststellte. Zeit herauszufinden, was die andere Frau wusste, dachte sie.
»Ich mache mich auf den Weg«, sagte sie zu Zed.
»Ich gebe Ihnen eine Viertelstunde, dann rufe ich Sie auf dem Handy an«, sagte Zed.
»Das können Sie gern tun. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass ich verschwinden könnte, denn ich bin darauf angewiesen, dass Sie mich mit zurück nach Milnthorpe nehmen.«
Zed brummelte vor sich hin. Er sagte, er werde sich in der Zwischenzeit ein bisschen die Füße vertreten, die ihm in den zwei Stunden, die sie in dem engen Auto gewartet hatten, fast eingeschlafen waren. Sie sagte, sie würde ihn auf dem Handy anrufen, falls er sich zu weit von dem Invalidenheim entfernte.
»Oh, da machen Sie sich mal keine Sorgen«, entgegnete Zed. »Ich werde mich ganz in Ihrer Nähe aufhalten.«
Daran zweifelte Deborah nicht im Geringsten. Der Mann würde sich im Gebüsch verstecken und am Fenster lauschen, wenn er könnte. Aber den Kompromiss musste sie eingehen, sagte sich Deborah, stieg aus, eilte über die Straße und betrat das Gebäude.
Sie entschied sich dafür, ganz direkt vorzugehen, denn ohne Polizeiausweis blieb ihr sowieso nichts anderes übrig. Sie trat an den Empfangstresen, setzte ihr charmantestes Lächeln auf und sagte zu dem Mann hinter dem Tresen, offenbar selbst ein ehemaliger Soldat, sie habe gerade eine Frau in das Gebäude gehen sehen, »groß, braunes, im Nacken zusammengebundenes Haar, langer Rock, Stiefel …?« Sie sei sich ganz sicher, dass es sich bei der Frau um eine Klassenkameradin ihrer älteren Schwester handle, und sie würde so gern ein paar Worte mit ihr wechseln. Sie sei sich natürlich darüber im Klaren, dass es eine verrückte Bitte war, womöglich sei die Frau ja jemand ganz anderes. Andererseits …
»Sie meinen bestimmt Lucy«, sagte der alte Mann. Er trug eine Militäruniform, die ihm an seinem feisten Körper klebte. »Sie ist unsere Sozialarbeiterin. Veranstaltet Spiele und Gymnastik und leitet Freizeitgruppen. Geht im Dezember mit uns zum Krippenspiel.«
»Lucy, ja genau! So hieß sie tatsächlich«, rief Deborah aus. »Wäre es vielleicht möglich …« Sie sah den Mann hoffnungsvoll an.
»Einer hübschen Frau kann man doch keinen Wunsch abschlagen«, sagte er. »Woher haben Sie bloß das schöne Haar?«
»Von meiner Großmutter väterlicherseits«, antwortete Deborah.
»Sie sind ein Glückspilz. Ich hab schon immer was übriggehabt für einen Rotschopf.« Er nahm den Telefonhörer ab und gab eine Nummer ein. Einen Augenblick später sagte er: »Hier fragt eine schöne Frau nach Ihnen, Darling«, und lauschte. Dann: »Nein, eine andere. Sie scheinen ja neuerdings sehr beliebt zu sein!« Er lachte über etwas, was die Frau zu ihm gesagt hatte, dann legte er auf und sagte Deborah, Lucy würde gleich da sein.
»Es ist mir echt peinlich«, sagte Deborah. »Aber ich kann mich einfach nicht mehr an Lucys Nachnamen erinnern.«
»Keverne«, sagte der Mann. »Lucy Keverne. So hat sie damals geheißen, und so heißt sie immer noch, denn sie ist nicht verheiratet. Hat nicht mal einen Freund. Ich versuch’s immer wieder bei ihr, aber sie sagt, ich bin ihr zu jung.«
Deborah tat die Vorstellung grinsend ab, so wie es von ihr erwartet wurde, und setzte sich gegenüber dem Tresen auf eine hölzerne Wartebank. Sie überlegte, was in aller Welt sie zu Lucy Keverne sagen sollte, doch sie hatte nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken, denn kaum eine Minute später betrat die Frau, die sie in Alatea Faircloughs Begleitung gesehen hatte, die Eingangshalle. Verständlicherweise sah sie Deborah etwas verdattert an. Wahrscheinlich passierte es nicht häufig, dass Wildfremde sie auf ihrer Arbeitsstelle besuchten.
Aus der Nähe sah Deborah, dass die Frau jünger war, als sie aus der Entfernung angenommen hatte. Trotz der feinen grauen Strähnen in ihrem Haar sah man
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