Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
hat sich ein Ritterschlag so inflationär auf das Selbstwertgefühl eines Mannes ausgewirkt.« Dann hatte er ihr vielleicht etwas erzählt, vielleicht auch nicht, aber der springende Punkt war, dass es für Helen keine Rolle gespielt hatte. Was er sagte, war für sie vollkommen unwichtig gewesen. Sie hatte nur interessiert, wer er war.
Das Schlimmste war, dass sie ihm so sehr fehlte. Er konnte es ertragen, dass er derjenige gewesen war, der die Entscheidung getroffen hatte, wann die lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt wurden. Er konnte es ertragen, dass sie ihr gemeinsames Kind mit ins Grab genommen hatte. Er gewöhnte sich mit der Zeit daran, dass ihr Tod ein sinnloser Zufallsmord gewesen war, der aus dem Nichts heraus geschehen und ohne jeden Sinn gewesen war. Aber die Leere, die ihr Tod in seinem Leben hinterlassen hatte, war so unerträglich, dass er manchmal nahe dran war, Helen dafür zu hassen.
Isabelle sagte: »Was soll ich aus deinem Schweigen schließen?«
»Nichts. Ich habe nur nachgedacht.«
»Und die Antwort?«
»Worauf?« Er hatte tatsächlich vergessen, was sie ihn gefragt hatte.
»Helen.«
»Ich wünschte wirklich, es gäbe eine Antwort«, sagte er.
Dann, völlig abrupt, wie es ihre Art war, zog sie andere Saiten auf. Es war ein Wesenszug an ihr, der ihn zugleich irritierte und anzog. »Gott, verzeih mir, Tommy«, sagte sie leise. »Ich mache dich nur fertig. Das hast du nicht verdient. Ich rufe dich an, obwohl ich eigentlich andere Dinge zu tun habe. Das ist der falsche Zeitpunkt für dieses Gespräch. Ich war sauer wegen Winston, aber daran bist du nicht schuld. Wir unterhalten uns später.«
»Ja«, sagte er.
»Kannst du schon sagen, wann du wieder zurück sein wirst?«
Das, dachte er, war ironischerweise die entscheidende Frage. Er schaute aus dem Fenster. Er befand sich auf der A 592 in einer dicht bewaldeten Gegend am Lake Windermere. Ein paar Blätter klammerten sich störrisch an die Äste von Ahornbäumen und Birken, aber dem nächsten stärkeren Wind würden sie nicht mehr standhalten. »Ich hoffe, bald. Vielleicht schon morgen. Oder übermorgen. Simon war ein paar Tage hier, und er hat seine forensischen Untersuchungen abgeschlossen. Deborah verfolgt noch eine Spur. Ich muss so lange hierbleiben, bis sie diese Sache beendet hat. Ich bin mir nicht sicher, ob es etwas mit dem Fall zu tun hat, aber sie hat sich nicht davon abbringen lassen, und ich kann sie nicht hier oben allein lassen.«
Isabelle schwieg eine Weile. Er wartete ab, wie sie darauf reagieren würde, dass er Simon und Deborah erwähnt hatte. »Es freut mich, dass die beiden dir helfen konnten«, sagte sie leichthin, aber er wusste, was es sie kostete, es so klingen zu lassen.
»Ja«, erwiderte er.
»Wir reden, wenn du wieder hier bist.«
»Machen wir.«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, blieb er noch eine Weile in seinem Wagen sitzen und starrte ins Leere. Es gab Dinge und Gefühle, die er würde klären müssen. Doch zuerst musste er diesen Fall in Cumbria lösen.
Er fädelte sich wieder in den Verkehr ein und setzte seinen Weg nach Ireleth Hall fort. Das Tor stand offen. Als er die Einfahrt hochfuhr, sah er, dass vor dem Haus ein Auto stand. Er erkannte es als eins der beiden Autos, die er in Great Urswick gesehen hatte, und schloss daraus, dass Faircloughs Tochter Manette zu Besuch war.
Sie war jedoch nicht allein gekommen, wie er bald feststellte, sondern in Begleitung ihres Exmannes. Die beiden saßen zusammen mit den Faircloughs in der großen Eingangshalle, und alle waren nach einem Besuch von Nicholas Fairclough noch immer ganz erschüttert, wie er von Bernard erfuhr, der ihn eingelassen hatte.
Valerie ergriff das Wort: »Ich fürchte, wir waren Ihnen gegenüber nicht ganz ehrlich, Inspector. Und es sieht ganz so aus, als wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, Ihnen die Wahrheit zu sagen.«
Lynley schaute Fairclough an. Fairclough wandte sich ab. Lynley begriff sofort, dass man ihn benutzt hatte, und er spürte, wie ihn die Wut packte. »Wenn Sie die Güte hätten, mir das zu erklären«, sagte er zu Valerie.
»Selbstverständlich. Ich bin der Grund, warum man Sie nach Cumbria gebeten hat, Inspector. Außer Bernard hat niemand davon gewusst. Aber jetzt wissen es auch Manette, Freddie und Nicholas.«
Einen verrückten Augenblick lang rechnete Lynley tatsächlich damit, dass die Frau als Nächstes den Mord am Neffen ihres Mannes gestehen würde. Immerhin wäre die Kulisse dafür perfekt. Es
Weitere Kostenlose Bücher