Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
leid.«
»Tja. Hm. Mir auch. Barbara hat übrigens Winston in den ›Fall‹ hineingezogen. War das in deinem Auftrag? Ich habe das sofort unterbunden, aber es hat mir gar nicht gefallen, sie in trauter Zweisamkeit über einen Computer gebeugt in der Bibliothek anzutreffen.«
Lynley betrachtete seine Hand auf dem Lenkrad des Healey Elliott. Er trug immer noch seinen Ehering und hatte in den Monaten seit Helens Tod nicht ein einziges Mal daran gedacht, ihn abzulegen. Es war ein schlichter goldener Ring, und auf der Innenseite waren ihre und seine Initialen sowie das Datum ihrer Hochzeit eingraviert.
Er wünschte sich nichts sehnlicher, als Helen wiederzuhaben. Diese Sehnsucht würde jede seiner Entscheidungen bestimmen, bis er irgendwann bereit war, Helen endlich und endgültig loszulassen und ihren Tod zu akzeptieren, anstatt sich Tag für Tag gegen die grausige Erkenntnis zu sträuben. Selbst im Zusammensein mit Isabelle war Helen immer da: mit ihrem Esprit und ihrem gesamten wunderbaren Wesen. Niemand war daran schuld, am wenigsten Isabelle. Es war einfach so.
Er sagte: »Nein. Ich habe Winston nicht um Unterstützung gebeten. Aber mach Barbara bitte nicht für all das verantwortlich, Isabelle. Sie versucht nur, mir ein paar Informationen zu besorgen.«
»Wegen dieser Sache in Cumbria.«
»Ja, wegen dieser Sache in Cumbria. Ich dachte, da sie ja noch ein paar Urlaubstage hatte …«
»Ich weiß, was du gedacht hast.«
Er wusste, dass Isabelle sich verletzt fühlte und sich zugleich darüber ärgerte, dass sie sich verletzt fühlte. Menschen in solchen Situationen hatten das Bedürfnis, andere zu verletzen, das war ihm klar, und das konnte er verstehen. Aber das alles war im Moment vollkommen unnötig, und das wollte er ihr so gern begreiflich machen. »All das hat nichts mit Verrat zu tun.«
»Wie kommst du auf die Idee, dass ich es als solchen auffassen könnte?«
»Weil ich es an deiner Stelle so auffassen würde. Du bist die Chefin. Ich habe kein Recht, deine Mitarbeiter um Unterstützung zu bitten. Und hätte ich eine andere Möglichkeit gehabt, mir die notwendigen Informationen in so kurzer Zeit zu beschaffen, dann hätte ich Barbara Havers aus dem Spiel gelassen, glaub mir.«
»Aber es gab eine andere Möglichkeit, und das ist es, was mich aufbringt. Dass du die andere Möglichkeit nicht gesehen hast und offenbar immer noch nicht siehst.«
»Du meinst, ich hätte mich an dich wenden sollen. Das ging leider nicht, Isabelle. Hillier hat das von Anfang an klargestellt. Ich sollte den Fall übernehmen, und niemand sollte davon erfahren.«
»Niemand.«
»Du meinst Barbara. Ich habe ihr nichts davon erzählt. Sie ist von selbst draufgekommen, weil ich sie um Informationen über Bernard Fairclough gebeten habe. Als sie angefangen hat, über den Mann zu recherchieren, hat sie zwei und zwei zusammengezählt. Sag mir eins: Was hättest du an meiner Stelle getan?«
»Ich möchte annehmen, dass ich dir vertraut hätte.«
»Weil ich dein Liebhaber bin?«
»Ja. So in etwa.«
»Aber das geht nicht«, sagte er. »Isabelle, denk doch mal nach.«
»Ich tue fast nichts anderes. Und das ist ein echtes Problem, wie du dir vorstellen kannst.«
»Ja, das kann ich.« Er wusste, was sie meinte, doch er wollte den Streit abwenden, auch wenn er nicht genau wusste, warum eigentlich. Wahrscheinlich hatte es mit der schrecklichen Leere zu tun, die er seit Helens Tod empfand, und damit, dass Menschen als geselligen Geschöpfen die Einsamkeit nicht guttat. Aber das war wahrscheinlich die krasseste Form der Selbsttäuschung, gefährlich sowohl für ihn als auch für Isabelle. Trotzdem sagte er: »Wir müssen das trennen, Isabelle, und zwar haarscharf. Das eine ist unser Beruf, und das andere ist unser Privatvergnügen. Wenn du die Stelle als Superintendent bekommst, wirst du immer wieder über Wissen verfügen – durch Hillier oder sonst wen –, in das du mich nicht einweihen darfst.«
»Ich würde es trotzdem tun.«
»Nein, Isabelle, das würdest du nicht.«
»Hast du es getan?«
»Hab ich was getan?«
»Ich meine Helen, Tommy. Hast du Helen immer alles erzählt?«
Wie sollte er ihr das erklären? Er hatte Helen nichts zu erzählen brauchen, weil Helen immer alles gewusst hatte. Sie war zu ihm ins Bad gekommen, hatte sich ein bisschen Massageöl auf die Hände geträufelt und angefangen, ihm den Rücken zu massieren und dabei gemurmelt: »Ah, David Hillier schon wieder, hm? Wirklich, Tommy. Ich glaube, noch nie
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