Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Er war der Meinung gewesen, dass alles erst anfing.
Entsetzt hatte sie ihn gefragt, an was für eine Story er denn denke. »Zwei Menschen sind bereit, einer Frau für eine Leihmutterschaft mehr zu bezahlen, als das Gesetz vorsieht«, hatte sie ihm gesagt. »Wie viele solche Menschen gibt es in England? Wie viele Menschen haben keine Freundin oder Verwandte, die bereit ist, sich aus lauter Mitgefühl als Leihmutter zur Verfügung zu stellen? Das Gesetz, das so etwas verbietet, ist lächerlich. Es gibt schlicht und einfach keine Story.«
Aber auch da war Zed anderer Meinung gewesen. Das Gesetz selbst sei die Geschichte, hatte er ihr erklärt. Denn es stürze Frauen in Verzweiflung, die daraufhin zu verzweifelten Mitteln griffen, um ihr Problem zu lösen.
»Verzeihen Sie, Mr. Benjamin«, hatte Deborah darauf erwidert, »aber ich glaube kaum, dass die Source sich auf Ihre Empfehlung hin zur Fürsprecherin aller unfruchtbaren Frauen aufschwingen wird.«
»Das werden wir ja noch sehen«, hatte er darauf knapp erwidert.
Sie hatten sich vor ihrem Hotel verabschiedet, und an der Rezeption hatte man ihr einen verschlossenen Umschlag überreicht, auf dem ihr Name in einer Handschrift geschrieben stand, die sie sofort wiedererkannte von den vielen Briefen, die Tommy ihr geschrieben hatte, als sie in Kalifornien Fotografie studierte.
Die Nachricht war kurz und knapp: Deb, was soll ich sagen? Tommy . Und es stimmte. Was hätte er sagen sollen? Sie hatte ihn belogen, sie hatte seine Anrufe ignoriert, und jetzt war er genauso sauer auf sie wie Simon. Gott, was hatte sie für einen Schlamassel angerichtet.
Sie ging auf ihr Zimmer und packte ihre Sachen, während sie darüber nachdachte, wie gründlich sie alles vermasselt hatte. Angefangen hatte es mit Simons Bruder David, den sie ewig hingehalten hatte in Bezug auf die offene Adoption, die er nur arrangiert hatte, weil er ihnen helfen wollte. Dann hatte sie Simon immer wieder vor den Kopf gestoßen, vor allem, als sie stur darauf beharrt hatte, weiterhin in Cumbria zu bleiben, obwohl klar gewesen war, dass ihre Aufgabe hier längst erledigt war. Und indem sie sich in Alatea Faircloughs Privatangelegenheiten eingemischt hatte, hatte sie wahrscheinlich auch deren Hoffnungen auf ein Kind zerstört.
Sie setzte sich aufs Bett. Seit einigen Jahren wurde ihr Leben von etwas bestimmt, das vollkommen außerhalb ihrer Kontrolle lag, dachte sie. Sie wünschte sich sehnlichst ein Kind, doch es war ihr nicht gegeben, sich diesen Wunsch zu erfüllen. Wahrscheinlich hatte Alatea Fairclough dasselbe durchgemacht wie sie.
Endlich begriff Deborah, warum die Argentinierin so ängstlich auf sie reagiert hatte und warum sie sich so gesträubt hatte, mit ihr zu reden. Alatea und ihr Mann waren bereit, eine Frau dafür zu bezahlen, dass sie ein Kind für sie austrug, und jetzt fürchteten sie, die Ärzte von der Uni in Lancaster hätten sie, Deborah, geschickt, um die Wahrheit über das Arrangement mit Lucy Keverne herauszufinden, ehe sie die Schritte in die Wege leiteten, die für eine Leihmutterschaft nötig waren. Das waren sicherlich eine ganze Reihe. Und die würden erst umgesetzt, wenn man Gewissheit über das Verhältnis zwischen Alatea und der zukünftigen Leihmutter hatte.
Deborah hatte die arme Frau verfolgt, seit sie nach Cumbria gekommen war, obwohl Alatea lediglich von derselben Sehnsucht getrieben war wie sie selbst, der Sehnsucht nach einer Schwangerschaft, die für andere Frauen das Natürlichste auf der Welt war und von manchen sogar als Fluch empfunden wurde.
Deborah wurde klar, dass sie einige Leute würde um Verzeihung bitten müssen für ihr Verhalten in den vergangenen Tagen. Anfangen würde sie bei Alatea Fairclough. Und deswegen würde sie, bevor sie sich auf den Heimweg nach London machte, Alatea noch einen Besuch abstatten.
MILNTHORPE – CUMBRIA
Was er der Polizistin von Scotland Yard gesagt hatte, war nichts weiter gewesen als Säbelrasseln, dachte Zed zerknirscht. Nachdem er sie zu ihrem Hotel gebracht hatte, war er nicht nach Windermere zurückgefahren, sondern zu dem Marktplatz in Milnthorpe. Er parkte neben einem Supermarkt und ging hinein. Der Laden war rappelvoll, und es war fürchterlich stickig dort drin, was seine schlechte Laune nicht gerade vertrieb.
Ziellos blätterte er in den Zeitungen und Zeitschriften, bis er nicht mehr widerstehen konnte und sich die neueste Ausgabe der Source kaufte. Damit ging er zur Frittenbude neben der Metzgerei, in deren
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