Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Schaufenster appetitliche Wildpasteten auslagen.
In der Frittenbude bestellte er sich eine Portion Fish ’n Chips und dazu eine Dose Fanta, machte es sich an einem Tisch bequem, holte tief Luft, um sich zu wappnen, und faltete die Zeitung auseinander.
Mitchell Corsico, dieser Dillettant, hatte natürlich mal wieder die Titelstory geschrieben. Wie immer der totale Müll: eine Enthüllungsstory über irgendeinen unbedeutenden Spross der königlichen Familie, der ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt hatte, noch dazu ein dunkelhäutiges. Das Kind, ein Mädchen, war mittlerweile fünf Jahre alt, und es gab mehrere Fotos von der Kleinen. Sie war hübsch, wie die meisten Mulatten. Ihr Vater würde jedoch nie den englischen Thron besteigen, es sei denn, das derzeitige Monarchenpaar würde mitsamt allen Angehörigen der weitverzweigten Verwandtschaft auf einem Luxusdampfer auf dem Atlantik eine Party feiern und der Dampfer würde mit einem Eisberg kollidieren. Diese unbedeutende Kleinigkeit entzog der Story jede vernünftige Grundlage. Aber das schien weder Mitchell Corsico noch Rodney Aronson gestört zu haben, der den Artikel immerhin auf die erste Seite gesetzt hatte, unabhängig davon, wie unbedeutend das Mitglied der königlichen Familie war.
Dass der Artikel auf der ersten Seite stand, bedeutete wahrscheinlich, dass es sich um die Enthüllungsstory des Jahres handelte, und die Source versuchte, auch noch das Letzte aus ihr herauszuquetschen. Rodney hatte das volle Programm durchgezogen: zwölf Zentimeter Schlagzeile, grobkörnige Fotos, namentliche Nennung des Verfassers und Verweis auf die Fortsetzung auf Seite acht, wo über die Mutter des Kindes berichtet wurde sowie über den adligen Kindsvater, der im Gegensatz zu zahlreichen Royals immerhin mit einem Kinn auf die Welt gekommen war.
Diese Geschichte würde doch niemanden vom Hocker reißen. Zed schloss daraus, dass zurzeit in der Gosse einfach nichts zu holen war, wenn Rodney sich schon auf eine solche Story als Aufmacher verlegen musste.
Und das bedeutete, dass er womöglich gute Chancen hatte, die Titelseite zu ergattern, wenn er alles, was er in Cumbria zusammengetragen hatte, zu einer guten Story verarbeitete. Er legte die Source beiseite, schüttete reichlich Essig auf seinen Fisch und seine Fritten, öffnete die Fantadose und ging noch einmal alles durch, was er über Nick Fairclough und die schöne Alatea zutage gefördert hatte.
Viel hatte er nicht, da musste er der Polizistin recht geben. Nick und Alatea Fairclough würden einer Frau mehr als nur ihre Ausgaben erstatten, damit sie für sie ein Kind austrug, was zwar nicht legal, aber auch noch keine Story war. Die Frage lautete: Wie konnte man eine Story daraus machen, oder wenigstens so einen Müll, wie Mitchell Corsico ihn fabriziert hatte?
Zed überlegte, welche Zutaten ihm zur Verfügung standen: Eier, Sperma, ein Mann, eine Frau, noch eine Frau und Geld. Wessen Eier, wessen Sperma, welcher Mann, welche Frau, wessen Geld? Das waren die Themen, aus denen er sich eine Geschichte zusammenreimen musste.
Es gab verschiedene Möglichkeiten. Vielleicht taugten die Eier der armen Alatea nichts – konnte das sein? – oder landeten nicht an der richtigen Stelle, um sich mit Nicks Sperma zu vereinigen. Also mussten die Eier einer anderen Frau her. Aber Nick und Alatea wollten nicht, dass die Familie davon erfuhr, weil … ja, warum eigentlich nicht? Wegen der Erbschaft? Was genau besagte das Erbrecht? Gab es überhaupt etwas zu vererben außer einer Firma, die Kloschüsseln und andere unappetitliche Dinge herstellte, deren Erwähnung die ganze Geschichte zu einem Lacher machen würde und Zed zum Deppen? Oder vielleicht war ja auch Nicks Sperma zu nichts zu gebrauchen. Vielleicht waren seine Samenzellen nach all den Jahren des Drogenkonsums total verkrüppelt? Also musste das Sperma eines Spenders her, und der daraus resultierende Sprössling würde trotz allem als echter Fairclough ausgegeben. Das wäre doch eine nette Geschichte.
Oder war es besser, sich auf das Geld zu konzentrieren, das Lucy Keverne bekommen sollte? In Anbetracht von Nicks Vergangenheit konnte es doch gut sein, dass er nicht nur mit Kloschüsseln, sondern auch noch mit anderen Dingen handelte, um sich das Honorar für die Leihmutter leisten zu können. Und mussten die Ärzte vielleicht auch geschmiert werden? Auch das war zumindest eine Möglichkeit.
Bis Zed seine Mahlzeit beendet hatte, war er zu dem Schluss gelangt, dass er
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