Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Schönheit und unerbittlich in ihrer Vergeltung.
Lynley und Deborah waren schließlich ins Haus gegangen, nachdem sie Stunde um Stunde das Feuer am Lodern gehalten hatten, selbst dann noch, als die Flut längst in die Bucht zurückgekehrt war und alle wussten, dass keine Hoffnung mehr bestand. Aber Nicholas hatte sich nicht von dem Feuer losreißen können, und so hatten sie mit ihm da draußen ausgeharrt. Erst als es dunkel wurde und die Erschöpfung und die Erkenntnis, dass es zwecklos war weiterzumachen, ihm alle Kraft raubten, hatte er endlich aufgegeben. Lynley und Deborah waren ihm unter den mitleidvollen Blicken der Dorfbewohner ins Haus gefolgt.
Dort hatte Lynley Bernard Fairclough angerufen und ihm mitgeteilt, die Frau seines Sohnes werde vermisst und sei wahrscheinlich in der Bucht ertrunken. Anscheinend sei sie zu einem Spaziergang aufgebrochen und von der Flutwelle überrascht worden.
»Wir kommen sofort«, hatte Bernard Fairclough gesagt. »Sagen Sie Nicholas, wir sind unterwegs.«
»Sie kommen, weil sie Angst haben, ich könnte jetzt wieder anfangen, Drogen zu nehmen«, sagte Nicholas benommen, als Lynley ihm die Worte seines Vaters ausrichtete. »Na ja, bei meiner Vergangenheit kann man es ihnen wohl nicht verdenken.« Dann erklärte er, er wolle weder seine Eltern noch sonst irgendjemanden sehen.
Also hatte Lynley gewartet, bis Nicholas’ Eltern eintrafen. Er teilte ihnen die Entscheidung ihres Sohnes mit, hatte sich jedoch entschlossen, Alateas Geheimnis nicht zu verraten. Er würde es mit ins Grab nehmen, und er wusste, dass Deborah es genauso halten würde.
Da es für die Fahrt nach London mittlerweile zu spät war, fuhren Lynley und Deborah zum Crow & Eagle, buchten zwei Zimmer, aßen mehr oder weniger schweigend zu Abend und gingen ins Bett. Am nächsten Morgen überprüfte Lynley sein Handy. Er hatte sieben neue Nachrichten, aber er las keine davon, sondern rief Barbara Havers an.
Er schilderte ihr kurz, was vorgefallen war. Bis auf ein gelegentliches »Ach, verdammt« und »Ach Gott, Sir« hörte sie kommentarlos zu. Er sagte, sie müssten Alateas Angehörige in Argentinien über den Tod der jungen Frau informieren. Ob Barbara die Studentin aus Barcelona noch einmal um ihre Unterstützung bitten könne. Selbstverständlich, antwortete Barbara. Es tue ihr schrecklich leid, wie die Sache ausgegangen war.
»Wie geht es Ihnen, Sir?«, erkundigte sie sich. »Sie klingen gar nicht gut. Kann ich sonst noch irgendwas für Sie tun?«
»Richten Sie Superintendent Ardery aus, dass ich in Cumbria aufgehalten wurde«, sagte er. »In ein, zwei Stunden werde ich mich auf den Weg nach London machen.«
»Soll ich ihr sonst noch was sagen?«, fragte Barbara. »Soll ich ihr mitteilen, was passiert ist?«
Lynley überlegte kurz, dann sagte er: »Nein, lassen wir die Dinge lieber auf sich beruhen.«
»In Ordnung, Sir«, antwortete sie und legte auf.
Auf Barbara konnte er sich verlassen, dachte Lynley. Und dann fiel ihm auf, dass ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, Isabelle anzurufen. Weder am Abend zuvor noch am Morgen, als er nach einer unruhigen Nacht aufgewacht war, hatte er an sie gedacht.
Deborah wartete bereits auf ihn, als er nach unten kam. Sie sah sehr mitgenommen aus. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie ihn sah, und sie räusperte sich, um nicht zu weinen.
Sie saß auf einer hölzernen Bank gegenüber dem Empfangstresen. Lynley setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie ließ sich gegen ihn sinken und nahm seine andere Hand, und er spürte, wie sie sich beide entspannten.
»Hör auf zu denken, was du denkst«, sagte er.
»Wie soll ich das?«
»Ich weiß es nicht. Aber du darfst das nicht denken.«
»Tommy, sie wäre niemals in die Bucht rausgegangen, wenn ich mich nicht so penetrant in ihr Leben eingemischt hätte. Dabei hatte diese Sache mit der Leihmutter überhaupt nichts mit Ian Cresswells Tod zu tun, genau wie du und Simon es mir gesagt habt. Ich bin schuld.«
»Deb, Liebes, schuld daran sind die, die geschwiegen haben, die Geheimnisse für sich behalten und gelogen haben. Nicht du.«
»Du versuchst nur, nett zu mir zu sein.«
»Nein, ich sage die Wahrheit. Alatea ist in die Bucht gegangen, weil sie es nicht ertragen konnte, ihrem Mann reinen Wein einzuschenken. Aus demselben Grund hat sie heimlich Kontakt zu Lucy Keverne aufgenommen. Du kannst nicht die Verantwortung für ihr Versteckspiel und für ihren Tod auf dich
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